Zeitlos – unvergänglich – unübertroffen - ChorPfalz online
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sie singen und verstehen, weil sie<br />
das Bleibende beschreiben: Liebe<br />
und Schmerz, Fröhlichkeit und<br />
Einsamkeit, den Mond, die Sonne,<br />
den Frühtau, die Sterne.<br />
Der Begriff „Volkslied“ selbst<br />
ist es, der Probleme macht. Im<br />
Gegensatz zu irischen Folksongs,<br />
zu sizilianischen Canzone, zu<br />
den französischen Chansons<br />
und amerikanischen Balladen<br />
oder Spirituals hat das „Volkslied“<br />
seine Last mit der speziell<br />
deutschen Geschichte. Indem die<br />
Nazi-Unkultur missliebige Autoren<br />
wie den Juden Heinrich Heine<br />
unsichtbar machen wollte, stand<br />
in den braunen Liederbüchern<br />
unter dem Lied von der Loreley<br />
„Volksgut“. Die NS-Herren verbreiteten<br />
die Mär, „Volkslieder“<br />
seien aus der Masse des Volkes<br />
heraus entstanden. Ein Blödsinn,<br />
der bis heute kursiert.<br />
Volkslieder sind Volkslieder, weil<br />
sie in ihrer Popularität keine<br />
Schranken kennen und das Werk<br />
die Namen der Autorinnen und<br />
Autoren überstrahlt. Ohrwürmer,<br />
Evergreens, Gassenhauer, Hits.<br />
Manche Urheber sind hinter ihren<br />
Werken auf immer verschwunden.<br />
Andere aber sind bis heute<br />
erkennbar. Zu ihnen zählen die<br />
bedeutendsten Dichter und Komponisten<br />
wie Johann Wolfgang<br />
von Goethe, Franz Schubert oder<br />
Wolfgang Amadeus Mozart.<br />
Mozart, so weiß man, hat sich<br />
diebisch gefreut, als er in Prag<br />
registrierte, dass die großen<br />
Arien aus „Don Giovanni“ in<br />
den Wirtshäusern gesungen<br />
wurden, ohne dass die Spontanchöre<br />
auch nur ahnten, dass ihr<br />
Schöpfer in ihrer Mitte zechte.<br />
Ebenso ließ er sich ohne jede<br />
Heimlichkeit vor allem von<br />
der böhmischen Volksmusik<br />
inspirieren. Die künstliche Trennung<br />
von U- und E-Musik, von<br />
Hoch- und Alltagskultur wird<br />
vollends überflüssig, wenn man<br />
Mozarts populärstes Werk, „Die<br />
Zauberflöte“, betrachtet. Das<br />
Singspiel entstand auf Anregung<br />
des Volkskomödianten Emanuel<br />
Schickaneder, des Wiener Popstars<br />
jener Tage, und wurde in<br />
dessen Theater zum allgemeinen<br />
Gaudium auf die Bühne<br />
gebracht.<br />
Mozarts Haltung gilt unter<br />
großen Künstlern als selbstverständlich.<br />
Ob Schubert, Schumann<br />
oder Brahms, ob George<br />
Gershwin, John Lennon, Paul<br />
McCartney oder Bob Dylan -<br />
sie alle haben aus dem Fundus<br />
dessen geschöpft, was ihnen<br />
Väter, Mütter und Freunde an<br />
Material mitgegeben haben. Und<br />
sie freuten sich, wenn das, was<br />
sie daraus entwickelten, in den<br />
allgemeinen Erinnerungsschatz<br />
einging. „Hey Jude“ und „Blowin’<br />
in the Wind“ sind die Erben von<br />
„Am Brunnen vor dem Tore“ und<br />
„Im schönsten Wiesengrunde“. In<br />
den Fußballstadien gehen „We<br />
are the Champions“ von Queen<br />
und der Karnevalsschlager „So<br />
ein Tag, so wunderschön wie<br />
heute“ der Gemeinde in gleicher<br />
Selbstverständlichkeit über die<br />
Lippen, wenn es einen Triumph<br />
des eigenen Teams zu feiern<br />
gilt.<br />
Volkslied ist, was bleibt und<br />
immer wieder neu empfunden<br />
werden kann. Manches<br />
verschwindet für Jahre oder<br />
Jahrzehnte, wird neu entdeckt<br />
und variiert. Es muss einfach<br />
passen, muss Sehnsucht stillen,<br />
Hoffnung beflügeln, trösten oder<br />
Medium der Freude sein können.<br />
Volkslied ist universale Heimat<br />
fürs Gemüt, unabhängig von<br />
sozialem Status, Geschlecht und<br />
Herkunft. „Wo wir uns finden<br />
wohl unter Linden zur Abendzeit.“<br />
Worin sich niemand mehr<br />
findet, das verschwindet.<br />
Manches Volkslied braucht den<br />
Umweg über die Fremde oder<br />
die ironische Brechung, um neu<br />
gehört zu werden. Als der GI Elvis<br />
Presley im Hessischen Dienst<br />
tat, nahm er einen deutschen<br />
Song auf und verschaffte ihm<br />
weltweite Bekanntheit: „Muss i<br />
denn, muss i denn zum Städtele<br />
hinaus.“ Und das legendäre Vokalensemble<br />
des Jazz, das Golden<br />
Gate Quartet, swingte im „Blauen<br />
Bock“ mit spürbarem Vergnügen<br />
„Schwarzbraun ist die Hasel-<br />
<strong>ChorPfalz</strong> September/Oktober 2008 Seite 101<br />
nuss, schwarzbraun bin auch<br />
ich, schwarzbraun muss mein<br />
Madel sein“.<br />
Ständig werden neue Volkslieder<br />
gekürt. „Heute hier, morgen<br />
dort“ von Hannes Wader, „Über<br />
den Wolken“ oder „Gute Nacht,<br />
Freunde“ von Reinhard Mey,<br />
„Dieser Weg“ von Xavier Naidoo,<br />
Songs der Prinzen, von Grönemeyer<br />
oder von BAP trällern<br />
Leute, die bestenfalls ahnen,<br />
aus wessen Feder die Sachen<br />
stammen. Wahrscheinlich gehört<br />
auch „Schöne Maid“ dazu,<br />
„Wunder gibt es immer wieder“<br />
und „Ein bisschen Spaß muss<br />
sein“.<br />
Ob sich diese Lieder so lange halten<br />
werden wie Matthias Claudius’<br />
„Der Mond ist aufgegangen“<br />
kann hier nicht ernsthaft erörtert<br />
werden. Es tut auch nichts<br />
zur Sache. „Volkslied“ ist kein<br />
eherner Kanon. Umso mehr Ehre<br />
gebührt jenen, die in Worte und<br />
Töne fassten, was einfach zeitlos<br />
schön und ergreifend ist.<br />
Dass die „chrismon“-Leser ein<br />
zweihundert Jahre altes Lied vom<br />
Mond als ihr liebstes ansehen,<br />
kann nicht wirklich überraschen,<br />
wer diese Zeilen singt:<br />
„Wir stolzen Menschenkinder<br />
sind eitel arme Sünder und wissen<br />
gar nicht viel. Wir spinnen<br />
Luftgespinste und suchen viele<br />
3. Internationales Festival für Kinder- und Jugendchöre<br />
3rd International Childrens and Youth Choir Festival<br />
Kinder- und Jugendchor<br />
Juventus Vocalis<br />
www.juventusvocalis.de<br />
Rhein-Pfalz-Kreis<br />
Verbandsgemeinde<br />
Dannstadt-Schauernheim<br />
the future<br />
10.7.-19.7.2009<br />
Verein zur Förderung<br />
des Kinder- und<br />
Jugendchores Juventus<br />
Vocalis e.V.<br />
Künste und kommen weiter von<br />
dem Ziel.“ Haarscharf genau und<br />
dauerhaft wahr. Doch der Dichter<br />
lässt die Singenden nicht ohne<br />
Trost: „So legt euch denn, ihr Brüder,<br />
in Gottes Namen nieder; kalt<br />
ist der Abendhauch. Verschon<br />
uns, Gott, mit Strafen, und lass<br />
uns ruhig schlafen und unsern<br />
kranken Nachbarn auch.“<br />
(Arnd Brummer, Freie Gedanken<br />
und ein Lied vom Mond, aus:<br />
chrismon - Das evangelische<br />
Magazin, Nr. 7/2008, mit freundlicher<br />
Abdruckgenehmigung von<br />
Autor und Verlag. Ein Abonnement<br />
von chrismon-plus erhalten<br />
Sie unter der kostenlosen<br />
Telefonnummer 0800/7587537<br />
oder unter www.chrismon.de.)