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23. Sitzung - Abgeordnetenhaus von Berlin

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<strong>Abgeordnetenhaus</strong> <strong>von</strong> <strong>Berlin</strong> – 15. Wahlperiode <strong>23.</strong> <strong>Sitzung</strong> vom 12. Dezember 2002<br />

(A) (C)<br />

(B)<br />

locker Sucht und Folgen zerreden. Sie kennen vielleicht<br />

die Fixer aus Ihrem Park um die Ecke oder Sie leben in<br />

einer günstigen Gegend, wo Sie diesen verelendeten Ge<br />

stalten nicht begegnen müssen. Auch deswegen denke<br />

ich, dass dies ein Problem nicht nur derjenigen selber ist,<br />

die krank sind, sondern auch derjenigen, die dort in der<br />

Umgebung wohnen, und dieses neue Angebot kann auch<br />

für die Anwohner eine Lösung bringen.<br />

Kriminalisierungs- und Ausgrenzungskonzepte haben<br />

uns bisher nicht die erwarteten Erfolge gebracht. Daher ist<br />

es richtig, durch die Einrichtung <strong>von</strong> Drogenkonsumräumen<br />

zu versuchen, Schwerstabhängige besser als bisher<br />

zu erreichen. Fixerstuben sind zunächst nichts anderes als<br />

die erweiterte und verbesserte Form der früheren Gesundheitsräume.<br />

Die gab es ja schon. Neben der ursprünglichen<br />

Absicht, durch die kostenlose Abgabe <strong>von</strong> sauberem<br />

Spritzbesteck an Abhängige Infektionen mit Krankheiten<br />

wie z. B. Aids oder Hepatitis zu verhindern, werden nun<br />

auch ständige ausstiegsorientierte Beratungen und Behandlungsmaßnahmen<br />

angeboten. Durch sofortige medizinische<br />

Hilfeleistungen können Zwischenfälle verhindert<br />

werden.<br />

Drogenkonsumräume sind auch keine rechtsfreien<br />

Räume. Drogen werden nicht abgegeben, und den Trägervereinen<br />

wird auferlegt, Kontakt mit der Polizei zu<br />

halten, um Straftaten wie den organisierten Drogenhandel<br />

einzudämmen. Die erste Einrichtung dieser Art wurde<br />

1994 in Frankfurt eröffnet. Viele wissen es gar nicht,<br />

manche denken, dass <strong>Berlin</strong> hier Vorreiter wäre.<br />

[Zuruf <strong>von</strong> den Grünen]<br />

– Ja, nicht die Fachleute natürlich. Die denken das nicht.<br />

– Mit großem Erfolg gibt es das in Frankfurt. Mittlerweile<br />

gibt es in Deutschland 13 solcher Angebote. Durch die<br />

Rechtsklarheit gibt es auch die Möglichkeit <strong>von</strong> einheitlichen<br />

Standards. Hamburg hat als erstes Bundesland Fixerstuben<br />

für rechtens erklärt. Allein dort gibt es 7 Räume<br />

mit insgesamt 50 Plätzen, in denen sich täglich etwa<br />

1 000 Schwerstabhängige unter hygienisch einwandfreien<br />

Bedingungen mitgebrachte Drogen verabreichen. Während<br />

die Zahl der Drogentoten bundesweit zunahm, ging<br />

sie in Hamburg spürbar zurück. Eine solche ausstiegsorientierte<br />

Einflussnahme zeigt Wirkung. Man muss die<br />

Klienten aber erreichen, und das wird in dieser Form<br />

besser möglich sein.<br />

Die Debatte um die Fixerstuben erinnert mich auch an<br />

die Debatte, die wir vor einigen Jahren um die Vergabe<br />

<strong>von</strong> Spritzbestecken in den Justizvollzugsanstalten hatten.<br />

Es gab auch dort einen Aufschrei, auch viele Vorbehalte,<br />

vor allem auch der Justizbeamten selbst. Es bewegt sich<br />

immer in einer gewissen Grauzone. Nun ist dieser Modellversuch<br />

4 Jahre lang gelaufen. Natürlich sind die<br />

Vorbehalte nicht alle ausgeräumt. Aber die Erfolge dieses<br />

Versuchs zeigen doch, dass es sich gelohnt hat und dass<br />

an dieser Stelle hier auch weitergemacht werden kann.<br />

Hepatitisinfektionen sind zurückgegangen, auch andere<br />

Folgen <strong>von</strong> illegaler Weitergabe <strong>von</strong> Spritzbesteck konnten<br />

gesenkt werden oder sind nicht mehr vorhanden.<br />

1601<br />

In der Koalitionsvereinbarung heißt es unter der Überschrift<br />

„Suchtprävention“:<br />

Die Koalitionsparteien werden eine moderne und<br />

wirksame Drogenpolitik unterstützen. An Brennpunkten,<br />

an denen Drogenprobleme soziale Probleme<br />

nach sich ziehen, sind zur Problemlösung regionale<br />

Konzepte unter Einbeziehung aller Beteiligten<br />

neu zu entwickeln. Suchtpolitik wird nur<br />

durch enge Verbindung <strong>von</strong> Suchtprävention, ausstiegsorientierten<br />

Hilfen, Substitution, Gesundheitshilfen<br />

sowie der konsequenten Bekämpfung<br />

<strong>von</strong> Handel und Schmuggel erfolgreich sein. Zu<br />

einem solchen Konzept gehören auch Drogenkonsumräume.<br />

Dieser Text zeigt unseren drogenpolitischen Ansatz. Hier<br />

geht es nicht um die heftigen und verbissenen ideologisierten<br />

alten Kämpfe, sondern um die Einbettung einer<br />

neuen Facette in ein Geflecht <strong>von</strong> vernünftigen und zeitgemäßen<br />

Maßnahmen, die dem Ziel dienen, sich vor<br />

allem präventiv und gesundheitspolitisch der vorhandenen<br />

Realität zu stellen. Die restriktive Politik der vergangenen<br />

Jahre mit ihrer Kriminalisierung <strong>von</strong> Drogengebrauchern<br />

hat keine wesentlichen Veränderungen der <strong>von</strong> vielen<br />

beklagten Situation gebracht. Klagen tun alle, neue Vorschläge<br />

gibt es nur ganz wenige. Ganz im Gegenteil, diese<br />

Politik hat immer neue Probleme geschaffen und Problemlösungen<br />

regelrecht verhindert. Die PDS hatte auch<br />

als Erfahrung aus vielen parlamentarischen Aktivitäten<br />

darauf gedrängt, dass sich in <strong>Berlin</strong> endlich etwas bewegt<br />

in den drogenpolitischen Ansätzen. Die Fixerstuben sind<br />

dabei nur eine Erweiterung. Wir können uns auch einen<br />

anderen Umgang mit Cannabis als Medizin vorstellen,<br />

[Beifall bei der PDS]<br />

mit den Festlegungen zum Umgang mit Cannabis überhaupt.<br />

Da könnte man eigentlich <strong>von</strong> „Grün“ auf der<br />

Bundesebene einiges erwarten – na, mal sehen.<br />

Mit der Entscheidung auf Bundesebene wurde die<br />

Möglichkeit gegeben, die z. B. in Hamburg, Hannover,<br />

Frankfurt am Main und Saarbrücken zum Teil schon seit<br />

1994 existierenden Fixerstuben oder Druckräume oder<br />

Gesundheitsräume aus der rechtlichen Grauzone zu befreien<br />

und die guten Erfahrungen in anderen Städten anzuwenden.<br />

Mit der nun auch in <strong>Berlin</strong> vorhandenen<br />

Rechtsverordnung ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung<br />

der Hilfen für langjährige, gesundheitlich verelendete<br />

Drogenabhängige getan. Auch in diesem Zusammenhang<br />

muss der gesundheitliche und psychosoziale Aspekt<br />

besonders hervorgehoben werden.<br />

Diese Maßnahmen, die jetzt in der Praxis umgesetzt<br />

werden können, sind eng verzahnt mit Beratungen an der<br />

Basis sozusagen. Es gibt in Kreuzberg-Friedrichshain, wie<br />

Sie wissen, schon langjährig die sogenannte Druckrauminitiative,<br />

wo auch parteiübergreifend vor Ort an diesem<br />

Problem gearbeitet wurde. Schon lange haben BVVen in<br />

dieser Stadt Beschlüsse darüber gefasst, dass sie in ihren<br />

Bezirken eine solche Einrichtung wollen und dass sie sie<br />

(D)

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