23. Sitzung - Abgeordnetenhaus von Berlin
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<strong>Abgeordnetenhaus</strong> <strong>von</strong> <strong>Berlin</strong> – 15. Wahlperiode <strong>23.</strong> <strong>Sitzung</strong> vom 12. Dezember 2002<br />
(A) (C)<br />
(B)<br />
Hier ist schon gesagt worden – das kann auch ich nur<br />
wiederholen –, dass wir in den kommenden Jahren vor<br />
ganz andere Dimensionen gestellt werden, was den Lehrerbedarf<br />
betrifft. Nicht umsonst steht in der Koalitionsvereinbarung<br />
der Einstellungskorridor, die Zahl 4 000,<br />
eben weil eine so hohe Zahl an Kolleginnen und Kollegen<br />
in den wohlverdienten Ruhestand gehen wird und durch<br />
jüngere Kolleginnen und Kollegen ersetzt werden muss.<br />
Wenn es jetzt gelingt, zu erreichen, dass ein großer Teil<br />
der Lehrerinnen und Lehrer auf einen Teil ihrer Arbeitszeit<br />
und ihres Geldes verzichtet und damit Platz, Raum<br />
und Geld für junge Kolleginnen und Kollegen schafft,<br />
wäre damit die Möglichkeit gegeben, andere und weiter<br />
gehende Reformvorhaben zu verwirklichen. Mit diesem<br />
Appell<br />
[Beifall bei der PDS]<br />
will ich es bewenden lassen, weil ich denke, er ist das<br />
Wichtigste, was wir in den nächsten Tagen und Wochen<br />
umzusetzen haben. – Vielen Dank!<br />
[Beifall bei der PDS und der SPD]<br />
Vizepräsident Dr. Stölzl: Danke schön, Frau Schaub!<br />
– Am Schluss der Redeliste ergreift Frau Senftleben für<br />
die FDP das Wort und das Mikrophon. – Bitte sehr!<br />
Frau Senftleben (FDP): Herr Präsident! Meine Damen<br />
und Herren! Entschuldigung, aber es geht nicht anders.<br />
[Frau Dr. Klotz (Grüne): Die ganze Fraktion<br />
ist irgendwie verschnupft!]<br />
– Irgendwie ja, ich weiß nicht, woran es liegt, Frau Dr.<br />
Klotz!<br />
[Krestel (FDP): Die vielen Bürgergespräche!]<br />
Frau Dr. Tesch, Sie sagten eben, es sei alles prima, wir<br />
müssten eigentlich nichts ändern. Dann sprachen Sie<br />
bewusst die zwei Prozent an, die den Schulen in bar zur<br />
Verfügung stehen. Es gibt Modellschulen, die das bereits<br />
machen. Auf welche Idee ist der Finanzsenator als erstes<br />
gekommen? – Dass er dieses Geld streicht, weil das Geld<br />
ja da ist, dann ist alles viel einfacher. Wenn wir das als<br />
neue Struktur auffassen, dann kann ich nur sagen: Armes<br />
<strong>Berlin</strong>!<br />
[Beifall bei der FDP]<br />
Es ist kein Geheimnis und gehört zur bitteren Wahrheit,<br />
dass bereits heute der Unterrichtsausfall erschreckend<br />
hoch ist. Es gibt nicht genügend Lehrkräfte, aber<br />
das Szenario geht noch viel weiter. In den nächsten Jahren<br />
werden Lehrkräfte in <strong>Berlin</strong> zur Mangelware. Darauf<br />
weisen Studien hin; Lehrervereinigungen, Gewerkschaften,<br />
aber auch die Politiker aus der Opposition – ich meine,<br />
wir sind da alle in einem Boot – werden nicht müde,<br />
dieses kritisch zu hinterfragen.<br />
Mitte des Jahres bezeichneten Sie, Herr Böger, den<br />
Lehrerbedarf als ausreichend gesichert: für Fremdsprachenfrühbeginn<br />
ab Klasse 3, für zusätzlichen<br />
Deutschunterricht für die Grundschüler, Unterstützung<br />
<strong>von</strong> Schülern und Schülerinnen nichtdeutscher<br />
1641<br />
und Schülerinnen nichtdeutscher Herkunftssprache, Aufbau<br />
weiterer Ganztagsschulen etc. Es sollten rund 1 000<br />
neue Stellen geschaffen werden. Altersbedingte Abgänge<br />
wollte Herr Böger durch weitere 3 000 Neueinstellungen<br />
ausgleichen. Alles kein Problem, kein Grund zur Besorgnis<br />
– so hieß es immer wieder.<br />
Aber offensichtlich hatte die Opposition Recht, die<br />
Situation ist verfahren! Die Gewerkschaften spielen beim<br />
Solidarpakt nicht mit. Sie haben jetzt den ersten Vorschlag<br />
gemacht, und auch wir als FDP begrüßen diesen<br />
Vorschlag. Und wie reagierte Rot-Rot? – Erstens mit<br />
Einstellungsstopp, ziemlich einfache Sache, finde ich.<br />
Zweitens mit der pauschalen Verlängerung der zu leistenden<br />
Unterrichtszeit, völlig undifferenziert. Genau das ist<br />
es, was die Lehrkräfte enorm frustriert. Es beweist außerdem<br />
die Einfallslosigkeit und Mutlosigkeit des Senats,<br />
neue Wege zu beschreiten. Es gibt Lehrkräfte mit höherer<br />
Belastung, allein schon durch die Vor- und Nachbereitungen,<br />
aber auch altersbedingt. Die tragen die Mehrarbeit<br />
doppelt. Von Fairness kann hier keine Rede sein.<br />
Nur durch eine Flexibilisierung des Lehrkräfteeinsatzes<br />
können Probleme, mit denen sich die <strong>Berlin</strong>er Schulen<br />
konfrontiert sehen, auf Dauer bewältigt werden. Hierzu<br />
brauchen wir mittelfristige Rahmenbedingungen. Ziel<br />
muss es letztlich sein, dass die Schulen an der Ausgestaltung<br />
des Lehrereinsatzes unmittelbar mitwirken, die so<br />
genannte schulscharfe Ausschreibung, mindestens das.<br />
[Beifall bei der FDP]<br />
Herr Mutlu, die Grünen haben es erkannt, und die<br />
gesamte Opposition ist da auf Ihrer Seite. Die Situation an<br />
den <strong>Berlin</strong>er Schulen wird sich in den kommenden Jahren<br />
dramatisch zuspitzen. Im vorliegenden Antrag werden<br />
mehrere Anhaltspunkte geliefert, wie aus Sicht der Grünen<br />
die Misere bewältigt werden kann. Es sollen Migranten<br />
und Migrantinnen bewusst für das Lehrerstudium<br />
motiviert werden: richtig! Der Einsatz <strong>von</strong> native speakers:<br />
richtig! Fachleute aus anderen Bereichen, <strong>von</strong> außen,<br />
zum Unterricht hinzuziehen: völlig richtig! Allen<br />
diesen Vorschlägen können wir zustimmen. Aber ich<br />
weiß nicht, ob es Vorschläge sind, um eine flächendeckende<br />
Versorgung zu gewährleisten.<br />
Es gibt in diesem Antrag der Grünen auch Vorschläge,<br />
die ich näher betrachten möchte. Erstens: Das Einstellungsverfahren<br />
wird schneller, flexibler und schulnäher<br />
gestaltet. – Ich finde diese Formulierung etwas vage, aber<br />
wenn ich das interpretiere, heißt es, dass die Schulen bei<br />
der Neueinstellung der Lehrer stärker mit einbezogen<br />
werden, möglicherweise auch Personalhoheit erhalten<br />
sollen. Nun gut, da bin ich dabei, aber eine präzisere Ausdrucksweise<br />
wäre besser gewesen.<br />
Zweitens sagen Sie, mit kurzfristigen Maßnahmen<br />
sollen alle vorhandenen Potentiale zur Sicherung der<br />
Unterrichtsversorgung ausgeschöpft werden. – Ich glaube<br />
nicht, dass Sie damit die Verlängerung der Arbeitszeit der<br />
Lehrer meinen.<br />
(D)