23. Sitzung - Abgeordnetenhaus von Berlin
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<strong>Abgeordnetenhaus</strong> <strong>von</strong> <strong>Berlin</strong> – 15. Wahlperiode <strong>23.</strong> <strong>Sitzung</strong> vom 12. Dezember 2002<br />
(A) (C)<br />
(B)<br />
Ladenschluss <strong>von</strong> einer wirtschaftspolitischen Sicht geprägt<br />
worden sind. Das Ladenschutzgesetz ist ein Arbeitsschutzgesetz.<br />
Es gab einmal einen Mr. Rexrodt, der nannte sich<br />
selbst Mr. Wirtschaft, der hat sich bei der FDP inzwischen<br />
zum Mr. Misswirtschaft profiliert. Er hatte uns bei<br />
der Ausweitung des Ladenschlusses <strong>von</strong> 18.30 Uhr auf<br />
20.00 Uhr 1996 unter anderem 50 000 neue Jobs im Handel<br />
versprochen und zusätzliche Milliardenumsätze.<br />
Nichts <strong>von</strong> dem, aber auch gar nichts <strong>von</strong> dem ist eingetroffen.<br />
Im Gegenteil, 30 000 bis 40 000 Arbeitsplätze<br />
sind verloren gegangen.<br />
Ihr Antrag geht haarscharf an der Wirklichkeit vorbei.<br />
§ 23 ist völlig ungeeignet. Ich zitiere aus einer Mitteilung<br />
des Verwaltungsgerichts Hamburg:<br />
Schließlich sieht das Ladenschlussgesetz in § 23<br />
die Möglichkeit vor, dass die obersten Landesbehörden<br />
in Einzelfällen befristete Ausnahmen <strong>von</strong><br />
den Vorschriften insbesondere der §§ 3 bis 16 bewilligen,<br />
wenn die Ausnahmen im öffentlichen Interesse<br />
dringend nötig werden.<br />
Der Anwendungsbereich dieser Ausnahmevorschrift ist<br />
relativ eng. Denn als öffentliche Interessen, die eine Ausnahme<br />
etwa <strong>von</strong> den allgemeinen Ladenöffnungszeiten<br />
zulassen, kommen nur Versorgungsinteressen in Betracht.<br />
Das ist im Übrigen auch gesicherte Rechtsprechung des<br />
Bundesverwaltungsgerichts. Die Landkreise in den <strong>von</strong><br />
der Flut bedrohten Gebieten haben solche Erlasse durchgesetzt,<br />
damit die Versorgung der Bevölkerung gesichert<br />
werden konnte. Ich lese Ihnen einmal vor, was der Landkreis<br />
Kamenz in Anwendung <strong>von</strong> § 23 Ladenschlussgesetz<br />
veröffentlicht hat:<br />
Das dringende öffentliche Interesse an einer umfangreichen<br />
Ladenöffnung ist gegenwärtig gegeben,<br />
da andernfalls insbesondere in den Gebieten,<br />
in denen die Stromversorgung nicht sichergestellt<br />
ist und es daher an Kühlgelegenheiten für Lebensmittel<br />
fehlt, eine ausreichende Lebensmittelversorgung<br />
der Bevölkerung nicht gewährleistet<br />
ist.<br />
– Wollen Sie allen Ernstes behaupten, dass das in <strong>Berlin</strong><br />
der Fall ist? –<br />
Weiterhin ist eine umfassende Versorgung mit allen<br />
Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs über<br />
die gesetzlichen Ladenöffnungszeiten hinaus erforderlich,<br />
um Betroffene und Helfer in den Katastrophengebieten<br />
mit allem Notwendigen, zum<br />
Beispiel Baumaterial, Möbel, Hausrat, Textilien,<br />
Elektrogeräten und vielem mehr versorgen zu können.<br />
– Wollen Sie behaupten, dass das in <strong>Berlin</strong> der Fall ist?<br />
Ich denke, dass die Aspekte, die der Antrag der Grünen<br />
auflistet, debattiert werden müssen. Die Bundesregierung<br />
hat, soweit dies bislang bekannt ist, ausgeführt, Befürchtungen,<br />
Leidtragende dieser Neuregelungen könnten<br />
1668<br />
die Beschäftigten sein, seien unbegründet. Branchentarifverträge<br />
für den Einzelhandel und das Arbeitszeitgesetz<br />
verhindern, dass die Ausweisung der Ladenöffnungszeiten<br />
am Samstag auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen<br />
wird. Das ist Hoffnung. Ich glaube, dass beispielsweise<br />
durch die Allgemeinverbindlichkeitserklärung <strong>von</strong><br />
Tarifverträgen hier noch einmal nachgebessert werden<br />
kann. Es gibt Möglichkeiten, die genutzt werden können.<br />
Aber so leichtfertig und oberflächlich, wie die FDP an<br />
dieses Thema herangeht, sollten wir es uns nicht machen.<br />
[Beifall bei der PDS, der SPD und den Grünen]<br />
Vizepräsident Dr. Stölzl: Danke schön, Herr Kollege<br />
Pewestorff! – Wir schließen die Rednerliste mit dem<br />
Herrn Kollegen Atzler <strong>von</strong> der Fraktion der CDU. Er hat<br />
das Wort – bitte schön!<br />
[Dr. Lindner (FDP): Jetzt wollen<br />
wir Zustimmung hören]<br />
Atzler (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten<br />
Damen und Herren! In Anbetracht der vorgerückten und<br />
weiter vorrückenden Zeit ist es nicht unbedingt das Gebot<br />
der Stunde, hier in kleinteilige Antragsberatung einzutreten.<br />
Ich will deshalb darauf verzichten<br />
[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]<br />
und möchte anhand <strong>von</strong> fünf kurzen Punkten unsere<br />
grundsätzliche Auffassung zu diesem Thema darstellen:<br />
[Ah! bei der PDS]<br />
1. Initiativen auf Erweiterung der Ladenöffnungszeiten<br />
stimmen wir grundsätzlich zu. Deshalb stehen wir<br />
solchen Anträgen – und zwar beiden Anträgen – erst<br />
einmal positiv gegenüber.<br />
2. Wir haben im Rahmen der großen Koalition, ich<br />
glaube, es war 1999, für eine Bundesratsinitiative des<br />
Senats plädiert, um eine liberale, bundeseinheitliche Regelung<br />
herbeizuführen. Sie wissen, dass der Prozess aus<br />
den bekannten Gründen unterbrochen worden ist. Wir, die<br />
CDU-Fraktion, sind der Auffassung, dass eine Liberalisierung<br />
der Ladenöffnungszeiten den Nutzungsgrad der<br />
Stadt <strong>Berlin</strong>, der Metropole als Touristenmagnet stark<br />
erhöht. Dadurch könnten wirtschaftspolitische Potentiale<br />
aktiviert werden, was besonders dem Handel und auch<br />
dem Steueraufkommen der Stadt zugute käme.<br />
3. Wir stehen weiter zu einer Erweiterung der gegenwärtigen,<br />
einschränkenden Regelung, um mehr Flexibilität<br />
im genannten Sinn zu erreichen. Es ist nicht einsehbar,<br />
warum Handelsunternehmen nicht den Bedürfnissen entsprechend<br />
und damit kundenorientiert ihre Betriebs- bzw.<br />
ihre Öffnungszeiten festlegen dürfen. Wir können uns<br />
auch weiter gehende Öffnungszeiten vorstellen, als sie<br />
derzeit in der Bundesregierung diskutiert werden. Wir<br />
begrüßen es, dass sie sich, wie übrigens auch der Regierende<br />
Bürgermeister, in diesem Punkt bewegt hat. Wir<br />
haben aber das Gefühl, hier wird zu kurz gesprungen. Das<br />
finden wir wiederum bedauerlich. Konsens können wir<br />
sicherlich über den Punkt herstellen, dass der Sonntag<br />
grundsätzlich unangetastet bleiben sollte.<br />
(D)