23. Sitzung - Abgeordnetenhaus von Berlin
23. Sitzung - Abgeordnetenhaus von Berlin
23. Sitzung - Abgeordnetenhaus von Berlin
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Abgeordnetenhaus</strong> <strong>von</strong> <strong>Berlin</strong> – 15. Wahlperiode <strong>23.</strong> <strong>Sitzung</strong> vom 12. Dezember 2002<br />
(A) (C)<br />
(B)<br />
Die Situation ist die, dass nach den Beschlüssen des<br />
Senats uns der Finanzsenator vorrechnen wird, dass<br />
Mehrarbeit der Lehrkräfte zu Überhängen <strong>von</strong> einem<br />
Faktor xy führt und somit 0,7, 1,5 oder vielleicht 2,3<br />
Stellenpositionen in jeder Schule frei werden. Nun korrespondieren<br />
allerdings diese rechnerischen Positionen in<br />
keiner Weise mit den Realitäten an der Schule. Diejenigen<br />
Lehrer, die dort arbeiten, lassen sich nicht in Zehntelteilern<br />
differenzieren, und die Auswirkung dieser Beschlüsse<br />
berücksichtigt auch nicht die Tatsache, dass<br />
Fachlehrer in bestimmten Bereichen fehlen und nicht<br />
ersetzt werden. Das heißt, hier leidet Qualität massiv, und<br />
alle Aussagen zur Qualitätssteigerung, auch in Bezug auf<br />
ein möglicherweise neues Schulgesetz, sind schon längst<br />
ad absurdum geführt.<br />
Man darf sich auch an diesem neuen Schulgesetz nicht<br />
immer festhalten. Das ist sozusagen die Chimäre, die man<br />
seit anderthalb Jahren vor sich her trägt, indem man immer<br />
wieder formuliert, wir machen dies, wir machen<br />
jenes. Und das „berühmte“ Vorschaltgesetz, bei dem sich<br />
die Koalition vom Wissenschaftlichen Parlamentsdienst<br />
belehren lassen musste, dass es dies gar nicht ist, sondern<br />
eine simple Änderung des Schulgesetzes, das hat natürlich<br />
auch nicht die Revolution ausgerufen, sondern es hat<br />
einfache Änderungen herbeigeführt, bei denen wir uns<br />
dann auch noch anhören mussten, dass Schulen, die den<br />
Antrag gestellt haben, tatsächlich Personalmittel selbst<br />
verwalten zu wollen, über Monate hinweg keine Bescheide<br />
erhielten.<br />
Das ist nicht das, was wir brauchen, sondern wir müssen<br />
– das muss meiner Ansicht nach auch verankert werden<br />
– dafür sorgen, dass, um beim Thema der Lehrerausbildung<br />
zu bleiben, z. B. Lehramtsbewerber, die nach<br />
ihrem Examen Erfahrungen im praktischen Leben sammeln<br />
und nicht direkt <strong>von</strong> der Schule über die Hochschule<br />
wieder in die Schule gehen, wesentlich stärker in den<br />
Bewerberkreis einbezogen werden. Zu dieser alten Gepflogenheit<br />
sollte man zurückkehren. Sie ist unnötigerweise<br />
<strong>von</strong> SPD-Bildungssenatoren aufgegeben worden.<br />
So blieben viele junge Lehrer auf der Strecke. Erst wurde<br />
ihnen nahe gelegt, Berufserfahrung außerhalb der Schule<br />
zu sammeln; und wenn sie das dann erfolgreich taten,<br />
dann mussten sie einige Jahre später feststellen, dass sie<br />
im Schuldienst als Bewerber so gut wie aus dem Rennen<br />
waren. Welche Frustration verursacht das, und welche<br />
Konsequenzen hat das dafür, dass sich potentielle Lehrer<br />
sich in dieser Form noch für den Schuldienst bewerben?<br />
Wir haben massive Probleme bei der Einstellung für<br />
Lehrkräfte in der <strong>Berlin</strong>er Schule. Wir haben den Einstellungsstopp,<br />
die Erhöhung der Stundentafel wirkt sich mit<br />
1 600 gestrichenen Lehrerstellen aus. Wir haben die vernichteten<br />
Einstellungschancen für junge, gut ausgebildete<br />
Lehrkräfte. Von den 1 000 zusätzlichen Lehrstellen für<br />
pädagogische Verbesserungen bleibt relativ wenig übrig.<br />
Statt Qualitätsverbesserungen in der Schule haben wir<br />
Überlastung der Lehrkräfte und statt Motivation Demotivation.<br />
Das bringt uns nicht voran, und deswegen wäre es<br />
1640<br />
auch wünschenswert, dass der auch <strong>von</strong> Frau Dr. Tesch<br />
<strong>von</strong> der SPD hier befürwortete Vorschlag der GEW einmal<br />
ernsthaft geprüft und aufgenommen worden wäre.<br />
Und die Beratung des Antrags der Grünen hätte dazu<br />
Gelegenheit geboten, diese sich geradezu aufdrängende,<br />
diese fast automatische Alternative dankbar anzunehmen<br />
und nicht an einer Grundsatzentscheidung festzuhalten,<br />
die sich als negativ für den Schulbetrieb auszuwirken<br />
scheint und die letztlich auch die Qualitätsanforderungen<br />
in der <strong>Berlin</strong>er Schule nicht bewältigen wird. Deshalb ist<br />
es sehr schade, dass dieser Antrag mit formalen Begründungen,<br />
mit einem Einbringungsdatum vom Februar und<br />
mit der Tatsache, dass die Grünen zwei Absätze zurückgezogen<br />
haben, hier <strong>von</strong> Ihnen, <strong>von</strong> der Koalition, abgebürstet<br />
worden ist. Sie hätten gut daran getan, das ernsthaft<br />
aufzunehmen, Alternativen gegebenenfalls zu entwickeln<br />
und hier zu präsentieren. So haben Sie das lediglich<br />
formal abgelehnt. Das ist nicht das, was wir <strong>von</strong> einer<br />
vernünftigen Bildungspolitik <strong>von</strong> Ihnen erwarten. Das<br />
lässt uns gruseln im Hinblick auf die Beratungen für das<br />
neue Schulgesetz.<br />
[Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen]<br />
Vizepräsident Dr. Stölzl: Danke schön, Herr Kollege<br />
Goetze! – Für die PDS erhält das Wort Frau Schaub. –<br />
Bitte schön!<br />
Frau Schaub (PDS): Vielen Dank, Herr Präsident! –<br />
Meine Damen und Herren! Ich habe den unbestimmten<br />
Eindruck, dass das, was bisher über den Antrag gesagt<br />
wurde,den Antrag nicht wirklich trifft. Und das bezeichnet<br />
vielleicht auch sogar das Problem. Zum einen ist der<br />
Antrag, Herr Goetze, da bin ich auch anderer Auffassung<br />
als Sie, dadurch überholt, weil ein großer Teil der dort<br />
geforderten Maßnahmen bereits im Gang oder zumindest<br />
im Gesetz formuliert ist.<br />
[Frau Dr. Tesch (SPD): Hab´ ich doch gesagt! –<br />
Goetze (CDU): Für welche denn? Wir kennen<br />
das Gesetz ja nicht!]<br />
Das ist einfach Tatsache, das kann man auch nicht wegreden.<br />
Das ist so. Zum anderen ist aber auch in allen Redebeiträgen<br />
klar geworden: Alles, was wir insgesamt zur<br />
Verbesserung der Arbeit an den Schulen erreicht wollen,<br />
steht unter dem Vorbehalt – man könnte beinahe sagen:<br />
Damoklesschwert – des Zu-Stande-Kommens eines Solidarpaktes.<br />
Das ist auch ein überall spürbares Problem. Die<br />
Maßnahmen, die eingeleitet bzw. aufgeschrieben und<br />
vereinbart sind, können eventuell nicht umgesetzt werden,<br />
wenn es nicht zum Solidarpakt kommt. Das ist noch einmal<br />
der dringliche Appell an uns alle, alles dafür zu tun,<br />
dass es zu einem Solidarpakt kommt. Ich bin sehr froh<br />
darüber, dass die GEW – gestern übrigens, nicht schon<br />
wochenlang – diesen Vorschlag vorgestellt hat. Ich denke,<br />
dass er so, wie er nun <strong>von</strong> der GEW zu hören ist, für die<br />
<strong>Berlin</strong>er Schule Sinn hat. Ich hoffe sehr, dass es zu konstruktiven<br />
Gesprächen kommt, damit klar wird – nur<br />
dieser eine Gesichtspunkt ist heute herauszugreifen –,<br />
dass sich der Lehrerberuf in <strong>Berlin</strong> lohnt.<br />
(D)