23. Sitzung - Abgeordnetenhaus von Berlin
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<strong>Abgeordnetenhaus</strong> <strong>von</strong> <strong>Berlin</strong> – 15. Wahlperiode <strong>23.</strong> <strong>Sitzung</strong> vom 12. Dezember 2002<br />
(A) (C)<br />
(B)<br />
Pape (SPD): Nein, der hatte schon! – Die Folgen sind<br />
bekannt: Gefährdung <strong>von</strong> Kindern durch gebrauchte<br />
Spritzbestecke auf Spielplätzen, Infektionen der Drogenabhängigen<br />
durch unhygienische Bedingungen beim Konsum,<br />
Folgeentwicklungen wie HIV- und Hepatitisinfektionen.<br />
Ich stelle noch einmal klar, um was es beim Konzept<br />
der Drogenkonsumräume nicht geht: Sie helfen nicht<br />
beim Problem der Beschaffungskriminalität. Sie schaffen<br />
das Dealerunwesen nicht ab. Sie werden auch die Quote<br />
der Erstkonsumenten nicht senken. – Darum geht es hier<br />
auch nicht. Es geht um die langjährig abhängigen Menschen.<br />
Die Drogenkonsumräume dienen dem Ziel, die<br />
Gesundheit der bereits abhängigen Konsumenten zu<br />
erhalten. Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt, dem<br />
es in einer konkreten Situation zu helfen gilt.<br />
Die Zahlen aus anderen Städten, die dieses Konzept<br />
verwirklicht haben, sprechen eine deutliche Sprache: Im<br />
CDU-regierten Frankfurt am Main hat sich die Zahl der<br />
Drogentoten seit der Einrichtung der Drogenkonsumräume<br />
halbiert.<br />
Vizepräsident Dr. Stölzl: Ich erinnere an Ihre Redezeit,<br />
Herr Kollege!<br />
Pape (SPD): Ja, ich komme zum Schluss. – Das ist<br />
darauf zurückzuführen, dass die abhängigen Menschen in<br />
den Gesundheitsräumen auch niederschwellige Kontaktmöglichkeiten<br />
zu Hilfsorganisationen finden, die ihnen<br />
bei der Verbesserung ihrer individuellen Situation helfen<br />
können – bis hin zum Einstieg in den Ausstieg aus der<br />
Abhängigkeit. Gesundheitsräume können helfen, zwischen<br />
den Drogenprojekten und den Abhängigen, die<br />
bisher auf Grund ihres sozialen Status kaum zu erreichen<br />
waren, Kontakt aufzubauen.<br />
Fazit: Gesundheitsräume werden Leben retten. Das ist<br />
wichtiger als die Verteidigung abstrakter Rechtspositionen,<br />
die <strong>von</strong> der Wirklichkeit längst überholt sind. – Danke<br />
schön!<br />
[Beifall bei der SPD und der PDS]<br />
Vizepräsident Dr. Stölzl: Vielen Dank, Herr Kollege<br />
Pape! – Der Kollege Hahn hat eine Kurzintervention<br />
begehrt und erhält sie im Umfang <strong>von</strong> drei Minuten. –<br />
Bitte!<br />
Hahn (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!<br />
Ich möchte meinem Kollegen Ritzmann nicht vorgreifen,<br />
[Zuruf: Dann lassen Sie es!]<br />
aber das, was eben zum Besten gegeben wurde, kann<br />
nicht unwidersprochen bleiben. Es ist unglaublich, was<br />
Sie den <strong>Berlin</strong>ern zumuten, wenn Sie beginnen, die Drogenkonsumräume<br />
als Gesundheitsräume zu titulieren.<br />
Wissen Sie, was Sie damit anrichten? Wissen Sie, was das<br />
für eine Sprachverwirrung ist? Wie wollen Sie in der<br />
Zukunft die Gesundheitsstudios bezeichnen? Wie wollen<br />
1615<br />
Sie im politischen Umfeld noch mit Gesundheit argumentieren,<br />
wenn Sie den Drogenkonsumraum so benennen?<br />
Der Drogenkonsumraum ist nichts anderes als die Resignation<br />
der Drogenpolitik.<br />
[Frau Dr. Klotz (Grüne): So ein Schwachsinn!]<br />
Das Ganze erinnert mich an George Orwell, der in seinem<br />
Buch „1984“ beschrieben hat, wie man die Gemüter verdrehen<br />
kann, indem man eine neue Sprache, die<br />
„Neusprech“ einführt. Das ist die Verwirrung aller Begriffe.<br />
Sie besagt dann das Gegenteil dessen, was Sie ursprünglich<br />
meinten. Mit der „Neusprech“ will man die<br />
Leute beherrschen. Wenn Sie auf dem Weg weitergehen,<br />
werden Sie auf unseren entschiedenen Widerstand treffen.<br />
[Frau Dr. Klotz (Grüne): Das war kein Ritzmann! –<br />
Zuruf des Abg. Over (PDS)]<br />
Vizepräsident Dr. Stölzl: Herr Kollege Pape, Sie<br />
wollen sicher darauf antworten. – Bitte schön, Sie haben<br />
das Wort!<br />
Pape (SPD): Es war ganz praktisch, dass ich eben<br />
neben dem Kollegen Gaebler saß, denn der hat mir mitgeteilt,<br />
dass Sie zwar Neuköllner Abgeordneter sind, aber<br />
im südlichen Wilmersdorf wohnen. Ich lade Sie einmal in<br />
meinem Wahlkreis ein, in dem der U-Bahnhof Turmstraße<br />
und der Kleine Tiergarten liegen.<br />
Bei der Argumentation, die Sie hier vorbringen, frage<br />
ich mich, was eigentlich menschenverachtend ist. Es ist<br />
menschenverachtend, Menschen dazu zu zwingen, sich<br />
unter unhygienischen Zuständen und einem hohen äußeren<br />
Druck ihre – –<br />
[Hahn (FDP): Wer zwingt sie denn dazu? –<br />
Over (PDS): Ihre Sucht!]<br />
– Es tut mir leid, dass es mir offensichtlich nicht gelingt,<br />
Ihnen den Sachverhalt zu erklären. Sie verstehen offenbar<br />
nichts <strong>von</strong> der Materie. Ich gebe diesen Versuch jetzt auf,<br />
um unsere Debatte nicht unnötig zu verlängern. – Danke<br />
schön!<br />
[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]<br />
Vizepräsident Dr. Stölzl: Danke, Kollege Pape! –<br />
Nun erhält der Kollege Ritzmann für die FDP-Fraktion<br />
das Wort. – Bitte schön!<br />
Ritzmann (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten<br />
Damen und Herren! Ich möchte zur Sache sprechen.<br />
[Gelächter bei der SPD, der PDS<br />
und den Grünen]<br />
Es geht beim Thema Drogenkonsumräume nicht darum,<br />
was abstrakt wünschenswert ist – das wäre, das wir diese<br />
Räume nicht benötigen –, sondern es geht darum, was<br />
konkret notwendig und machbar ist.<br />
[Beifall der Abgn. Ratzmann (Grüne)<br />
und Zillich (PDS)]<br />
Wir haben ein Problem mit Drogenschwerstabhängigen.<br />
Das sind kranke Menschen. In Drogenkonsumräumen<br />
(D)