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23. Sitzung - Abgeordnetenhaus von Berlin

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<strong>Abgeordnetenhaus</strong> <strong>von</strong> <strong>Berlin</strong> – 15. Wahlperiode <strong>23.</strong> <strong>Sitzung</strong> vom 12. Dezember 2002<br />

(A) (C)<br />

(B)<br />

nachten sind ja auch nicht schlecht. Dabei drückt sich<br />

vielleicht eher eine andere Assoziation aus als diejenige,<br />

die Sie mit Ihrem Vergleich zu „weiß“ haben wollen. Sie<br />

wissen, dass wir diesbezüglich weit fortgeschritten sind,<br />

was das Fördern <strong>von</strong> grünen Assoziationen angeht. Sie<br />

kommen uns also durchaus entgegen, wenn Sie sagen,<br />

dass Sie keine weiße Weihnacht wünschen.<br />

In dem Drogenbericht 2000 der Senatsverwaltung für<br />

Gesundheit heißt es: In der Großstadt <strong>Berlin</strong>, 3,33 Millionen<br />

Einwohner, wird gegenwärtig die Suchtproblematik<br />

folgendermaßen eingeschätzt: 900 000 Raucher,<br />

250 000 Alkoholmissbraucher und -abhängige, 50 000 bis<br />

80 000 Medikamentenabhängige, 7 000 bis 8 000 Opiatabhängige.<br />

10 % der Letztgenannten werden als schwerstabhängig<br />

bezeichnet und sind gesundheitlich besonders<br />

schwer beeinträchtigt. Im Jahr 2000 starben 225 Menschen<br />

in Folge des Genusses illegaler Drogen. 746 starben<br />

in Folge Alkoholgenusses. Allein 2 795 der Verkehrsunfälle<br />

mit Personen- und schwerwiegenden Sachschäden<br />

waren alkoholbedingt. Der Beschluss des Senats, endlich<br />

die rechtlichen Voraussetzungen für die Einrichtung der<br />

Konsumräume zu schaffen, ist angesichts der oben skizzierten<br />

Situation sicherlich ein kleiner Schritt für die<br />

Menschheit, drogenpolitisch allerdings ein sehr großer.<br />

[Beifall bei den Grünen und der PDS]<br />

Es war eine harte und mühsame Diskussion und viel,<br />

viel Arbeit, die Akzeptanz dafür zu schaffen, dass nicht<br />

mehr nur – muss man wohl sagen – mit Strafandrohungen,<br />

Strafvollzug und Repressionen dem Drogenproblem<br />

zu Leibe gerückt wird. Das Problem, das sich hier mit der<br />

Einrichtung <strong>von</strong> Drogenkonsumräumen verbindet, ist in<br />

erster Linie, dass denjenigen, die Hilfestellung leisten<br />

wollen, unter Anerkennung der Suchtproblematik und<br />

unter Anerkennung der Akzeptanz, dass aus dieser Suchtproblematik<br />

nicht <strong>von</strong> heute auf morgen ausgestiegen<br />

werden kann, nicht der Staatsanwalt im Nacken sitzt,<br />

sondern sie die notwendigen Schritte und Hilfeleistungen<br />

tatsächlich auch gehen und geben können.<br />

Es war, wie gesagt, ein sehr schwerer Weg. Vor<br />

15 Jahren, 1987, hat Generalbundesanwalt Rebmann noch<br />

einen eigenen Mitarbeiter, den Bundesanwalt Bruns – der<br />

hier vielleicht auch allgemein bekannt ist – als Mitglied<br />

der Aids-Enquetekommission des Bundestags angezeigt,<br />

weil er öffentlich die Vergabe <strong>von</strong> Einmalspritzen an<br />

Drogenabhängige als strafrechtlich unbedenklich bewertet<br />

hat. Es bedurfte zur Hochzeit der Aufklärung über die<br />

Ansteckungsgefahren des Aids-Virus einer Gesetzesänderung,<br />

um klarzustellen, dass man saubere Spritzen an<br />

diejenigen ausgeben darf, die ständig in der Gefahr sind,<br />

sich durch den Konsum <strong>von</strong> Rauschmitteln unter Benutzung<br />

<strong>von</strong> Spritzen selbst zu infizieren und damit natürlich<br />

auch die notwendigen Folgekosten für die Gesellschaft<br />

auszulösen. Es geht darum, dass diejenigen, die helfen<br />

wollen, um Schlimmeres zu vermeiden, nicht selbst strafbar<br />

werden.<br />

An dieser Stelle, Frau Schubert, möchte ich noch<br />

einmal das Wort an Sie richten. Wir warten seit dieser<br />

1607<br />

Gesetzesänderung, dass in den <strong>Berlin</strong>er Knästen auch<br />

tatsächlich die Spritzen ausgegeben werden und nicht nur<br />

in zwei Knästen, dem Frauenknast in Lichtenberg und<br />

dem in Plötzensee, wo sicherlich die Drogenproblematik<br />

in den <strong>Berlin</strong>er Justizvollzugsanstalten am virulentesten<br />

ist.<br />

[Beifall bei den Grünen und der PDS]<br />

Es waren dann die Großstädte mit den großen offenen<br />

Drogenszenen wie Hamburg und Frankfurt, die als erste<br />

die Schritte gegangen sind und Anfang der 90er Jahre<br />

sogenannte Konsumräume nach schweizer Vorbild eingerichtet<br />

haben. Seitdem tobt die Diskussion um diese Einrichtungen.<br />

Und wie alle Diskussionen im drogenpolitischen<br />

Bereich ist sie eher ideologisch geprägt und meist<br />

bar jeglicher Kenntnis <strong>von</strong> wissenschaftlichen Grundlagen.<br />

Herr Henkel, Sie haben hier ein beredtes Beispiel für<br />

diese These abgegeben.<br />

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]<br />

Das, was Sie hier abgeliefert haben, ist wirklich bar jeder<br />

Kenntnis dessen, was in der letzten Zeit in diesem Bereich<br />

auf wissenschaftlicher Grundlage diskutiert worden ist.<br />

Selbst die Apologeten der Marktwirtschaft, Herr Henkel,<br />

fordern mittlerweile, dass es nicht mehr notwendig ist, mit<br />

Repressionen die Schwarzmärkte auszutrocknen, sondern<br />

dass es den Effekt der Austrocknung haben würde, wenn<br />

man den Weg der Legalisierung auch in diesem Bereich<br />

endlich gehen würde.<br />

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]<br />

Wer tatsächlich meint, eine PKS, eine polizeiliche<br />

Kriminalstatistik anführen zu müssen, um das Scheitern<br />

des Konzepts <strong>von</strong> Drogenräumen in Hamburg zu begründen,<br />

hat weder verstanden, was eine polizeiliche Kriminalstatistik<br />

aussagen kann, noch hat er verstanden, was es<br />

mit den Drogenkonsumräumen eigentlich auf sich hat.<br />

[Beifall bei der SPD und der PDS]<br />

Sie können doch nicht ernsthaft das Erfassen <strong>von</strong><br />

Straftaten im Zusammenhang mit Rauschmittelkriminalität<br />

ohne jegliche Differenzierung und einen etwaigen<br />

Anstieg anführen, um zu sagen, die Zwecksetzung der<br />

Einrichtung <strong>von</strong> Drogenkonsumräumen sei nicht erreicht<br />

worden. Sie verkennen den Zweck, den diese Räume<br />

haben. Es geht darum, einen Raum zu schaffen, in dem es<br />

nicht nur gilt, die gesundheitlichen Risiken zu minimieren,<br />

sondern auch einen leichten Zugang zu haben zu<br />

denjenigen, die abhängig sind, und ihnen Hilfeangebote<br />

zu vermitteln, um aus dieser Situation herauszukommen.<br />

[Beifall bei den Grünen und der PDS]<br />

Herr Henkel, vielleicht auch Herr Stölzl, wenn es noch<br />

eines Beweises bedurfte, warum wir Ihre schwarz-grünen<br />

Avancen immer ablehnen, so hat ihn hier heute Herr Henkel<br />

noch einmal deutlich dargestellt, warum wir Ihre Initiative<br />

ablehnen.<br />

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]<br />

(D)

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