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Freunde und Feinde

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lieb jedoch nicht aus, daß sich einige wenige Pfarrer an diesem Thema zu profilieren suchten <strong>und</strong> dabei<br />

mit Intension kirchliche Räume für ÜSE zur Verfügung stellten. [/] Von Gewicht für den Verlauf des<br />

Differenzierungsprozesses war die zunehmend deutlich positive öffentliche Positionierung der beiden<br />

Superintendenten in der innerkirchlichen Auseinandersetzung, mit der sie beruhigend auf die auf<br />

Konfrontation setzenden Kräfte einwirkten. Gleichzeitig ist die Widerstandskraft <strong>und</strong> -fähigkeit einzelner<br />

Pfarrer gegenüber staatlichem <strong>und</strong> innerkirchlichem Einfluß nicht zu unterschätzen.<br />

Es ist zu konstatieren, daß es durch gezielte Einflußnahme gelang, eine öffentlichkeitswirksame<br />

Verbindung von ÜSE <strong>und</strong> Kirche in der Stadt prinzipiell zu verhindern. Lediglich am 14.3.1988 kam es<br />

im Anschluß an das Friedensgebet in der Nikolaikirche zu einem Marsch von ca. 200 ÜSE durch die<br />

Leipziger Innenstadt, der ohne Zwischenfälle verlief. Nur in wenigen Gemeinden (Ev.<br />

Studentengemeinde, Nikolaikirche, Jugendpfarramt) wurde von kirchlicher Seite die Trennung Staat-<br />

Kirche nicht durchgehalten, kam es zu einer unberechtigten Beschäftigung mit den Angelegenheiten der<br />

ÜSE. Mit einem sogenannten Meditationsgottesdienst am 13.2.1988 in der Michaeliskirche am Nordplatz<br />

wurden die „aufgr<strong>und</strong> der Inhaftierungen in Berlin“ täglich zunächst in der Ev. Studentengemeinde <strong>und</strong><br />

später in der Nikolaikirche durchgeführten Friedensgebete beendet. Am gleichen Tag schloß auch das aus<br />

demselben Gr<strong>und</strong> eingerichtete sogenannte Kontakttelefon (Ev. Studentengemeinde) seine Arbeit (vgl.<br />

auch Pkt. 2). Ab diesem Zeitpunkt finden die Friedensgebete wie in der Vergangenheit schon montäglich<br />

in der Nikolaikirche statt. Ihre neue politische Qualität besteht darin, daß sie für H<strong>und</strong>erte von ÜSE die<br />

Möglichkeiten bieten, Kontakte untereinander auszubauen <strong>und</strong> durch die massierten Zusammenkünfte<br />

Druck auf den Staat auszuüben. Durchschnittlich werden diese Friedensgebete z.Zt. von 600 - 800<br />

Personen besucht (früher ca. 100). [/] Nebenwirkung der Diskussion um Probleme der ÜSE war, daß<br />

politisch wichtige Fragen nicht den ihnen zukommenden Stellenwert im Dialog Staat-Kirche einnehmen<br />

konnten <strong>und</strong> ebenfalls nicht das Gewicht in der Gemeindearbeit erreichten. Davon betroffen war eine<br />

umfassende Würdigung der Ergebnisse des 6.3.1978 wie auch der mit dem Abzug von<br />

Mittelstreckenraketen aus der DDR begonnen historisch ersten Schritte der Abrüstung überhaupt.<br />

Es ist davon auszugehen, daß das Problem der ÜSE auch weiterhin in die kirchenpolitische Arbeit<br />

hineinreicht. Dabei ist der politische Differenzierungsprozeß offensiv unter Nutzung aller bewährten wie<br />

auch neuer Formen <strong>und</strong> Methoden der Arbeit mit Geistlichen <strong>und</strong> Amtsträgern zu fördern. Dabei ist bei<br />

weiterer Klärung des Prinzips der Trennung Staat-Kirche nach neuen Feldern für gemeinsames Wirken<br />

zum Wohle unserer Gesellschaft zu suchen.<br />

1.1.<br />

Von kirchlicher Seite wurde in allen Gesprächen hervorgehoben, daß die Probleme der letzten Wochen<br />

gesellschaftspolitischer Natur seien <strong>und</strong> keinen Ursprung im Dienst der Kirche hätten. Die Kirchen hätten<br />

die Auseinandersetzung zu diesen Fragen stellvertretend für Staat <strong>und</strong> Gesellschaft wahrnehmen müssen,<br />

sie hätten sich diese Rolle nicht ausgesucht. Die Tatsache, daß die Türen der Kirche für ÜSE geöffnet<br />

wurden, sei der seelischen Not dieser Personen geschuldet <strong>und</strong> hätte zugleich dazu beigetragen, sie von<br />

der Straße wegzubekommen. In der konkreten Situation habe sich gezeigt, daß die Kirche eine positive<br />

Funktion habe, indem sie einen gesellschaftspolitischen Überdruck abfangen könne. [/] Allgemein wird<br />

bedauert, daß so viele Menschen unser Land verlassen wollten. Die Kirche unterstütze alle Bemühungen,<br />

die ÜSE in ihren Vorhaben wieder umzustimmen. „Leben <strong>und</strong> Bleiben in der DDR“ - das sei der<br />

Standpunkt der Kirche. [/] Nach den Worten Pf. Michaels (Pauluskirche) ist „z.Zt. das Stellen von<br />

Ersuchen zur Übersiedlung eine Seuche <strong>und</strong> alle, die mit solchen Gedanken infiziert sind, sollten dies<br />

noch einmal überdenken. Oft werden nur die Pracht, die Herrlichkeit <strong>und</strong> die Freiheit gesehen“.<br />

Zu einem Vorhaben, wonach die Pauluskirche ähnlich wie die Nikolaikirche für „Ratsuchende“ eine<br />

gezielte Verantwortung übernehmen sollte, äußerte Pf. Michael, daß nach einer Beratung mit dem<br />

Kirchenvorstand entschieden wurde, daß dafür die Pauluskirche nicht geeignet sei. Die Gründe sehe er vor<br />

allem darin, daß die gegenwärtige Situation für die Kirche nicht überschaubar wäre <strong>und</strong> die<br />

Kirchenleitung der Pauluskirche überhaupt nicht daran interessiert sei, Handlungen durchzuführen, die für<br />

das Staatsorgan geeignet wären, Mißverständnisse entstehen zu lassen. Er werde immer einen Bürger, der<br />

Hilfe braucht, anhören <strong>und</strong> ihn nicht von seiner Tür weisen. Gleichzeitig schließe er jedoch aus, daß ganze<br />

Gruppen solcher „Ratsuchender“ in das Haus der Pauluskirche Eingang finden. Das könne nicht die<br />

Aufgabe der Pauluskirche sein. Seine Verantwortung sehe er vor allem darin, Christen dahingehend zu<br />

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