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Freunde und Feinde

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Rauchverbot - alles Dinge, die wir als absolut schikanös empfanden.<br />

Die Bewachung selber war zahlreich, vor der Ausgangstür liefen H<strong>und</strong>e herum. Die einzige Schlaf- bzw.<br />

Ruhemöglichkeit waren total schmutzige <strong>und</strong> von Ungeziefer <strong>und</strong> H<strong>und</strong>ehaaren bedeckte Sportmatten.<br />

Etwa gegen 1 Uhr nachts (mit dem letzten Transport) wurden etwas zu Essen <strong>und</strong> ein Kübel Tee gebracht.<br />

Jeder von uns bekam eine kalte Bockwurst <strong>und</strong> ein schon etwas ältliches Brötchen dazu... Irgendwann<br />

früh wurden ein paar Namen aufgerufen, die Aufgerufenen bekamen allem Anschein nach ihre Ausweise<br />

wieder <strong>und</strong> durften gehen. Ein paar St<strong>und</strong>en später die nächsten - diese wurden aber wieder auf einen<br />

LKW der BePo verladen <strong>und</strong> weggefahren.<br />

Um die Mittagszeit des Dienstages herum gab es wiederum was zu essen: eine lauwarme Bratwurst <strong>und</strong><br />

ein hartes Brötchen...<br />

Im Abstand von mehreren St<strong>und</strong>en wurden weitere Transporte zusammengestellt, so daß wir dann gegen<br />

18.00 Uhr noch ca. 10 Mann waren. Mit einer Begleitung von etwas 20 BePo- <strong>und</strong> VP-Leuten wurden wir<br />

per LKW wieder zurück in die Dimitroffstraße gefahren <strong>und</strong> in einen Schulungsraum gesteckt. Minuten<br />

später wurde jeder einzeln von Stasi- <strong>und</strong> Kripo-Leuten aufgerufen. Es erfolgte eine Mitteilung, daß gegen<br />

uns ein Ermittlungsverfahren wegen § 217 (Zusammenrottung) eingeleitet worden ist. Wir hatten die<br />

Möglichkeit, nochmal im Strafgesetzbuch nachzulesen, was die Konsequenzen für uns sind.<br />

In der von mir abverlangten Stellungnahme erklärte ich dem MfS-Mitarbeiter, daß ich mich weigere, den<br />

Vorfall vom Vortag als Zusammenrottung anzuerkennen! Ich erklärte nochmals, daß unserem friedlichen<br />

Aufenthalt vor der Nikolaikirche keinerlei kriminelle Absicht vorlag. Das war alles, was ich dazu zu sagen<br />

hatte! Dann wurde ich wieder in den Schulungsraum geführt. Etwa 10 Minuten später wurde ich von dem<br />

Stasi <strong>und</strong> einem VP-Angehörigen in das Gebäude der U-Haft Beethovenstraße gebracht, mußte dort etwa<br />

5 Minuten warten <strong>und</strong> wurde einer Staatsanwältin zugeführt. Diese erklärte mir, daß gegen mich ein<br />

Strafbefehl erlassen worden ist <strong>und</strong> schob mir die schriftliche Ausführung davon über den Tisch.<br />

Ich nahm zur Kenntnis, daß ich wegen Verstoß des § 217/1 eine Geldstrafe in Höhe von 3000,-DM zu<br />

zahlen hätte! Dann nahm die Staatsanwältin das Formular wieder an sich <strong>und</strong> erklärte mir, daß die<br />

Zahlung der oben genannten Summe binnen einer Woche zu erfolgen hätte. Ansonsten würde die<br />

Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe umgewandelt werden - so ihre Erklärung zu meinem mündlichen Protest.<br />

Abschließend reichte sie mir einen Zettel, auf welchem stand, daß ich die Strafe anerkennen werde <strong>und</strong><br />

auf sämtliche Rechtseinsprüche verzichte - ich unterschrieb natürlich nicht. Wie ich dann später<br />

bedauerlicherweise erfuhr, ließen sich die meisten der Betroffenen durch den auf sie ausgeübten<br />

psychischen Druck beeinflussen <strong>und</strong> unterschrieben.<br />

Zwischen 18.30 Uhr <strong>und</strong> 19.30 Uhr wurden wir dann völlig entnervt entlassen.<br />

202 SED-Information<br />

Fernschreiben vom 2. Sekretär der SED-Bezirksleitung Leipzig, Hackenberg, an das Mitglied des Politbüros<br />

<strong>und</strong> Sekretärs des ZK, H. Dohlus, vom 12.09.1989 über den Ablauf des Friedensgebetes am 11.09.1989<br />

(StAL SED 4972).<br />

Werter Genosse Horst Dohlus!<br />

Wie ich bereits in meinem Fernschreiben vom 11.9. informierte 611 , fand am Montag, dem 11.9.89 von<br />

17.00 bis 17.45 Uhr in der Nikolaikirche Leipzig das sogenannte Montagsgebet statt, an dem ca. 1000<br />

Personen teilnahmen. Wie gemeinsam abgestimmt, erfolgte bereits ab 16.00 Uhr eine starke Präsenz der<br />

611 Dieses Fernschreiben konnten die Herausgeber nicht finden, vermutlich ist es die Gr<strong>und</strong>lage einer ZK-<br />

Hausinformation gewesen, in der es u.a. hieß: „Information des Leiters der Abt. f. Sicherheitsfragen der BL<br />

Leipzig, Gen. Reinhard, am 11.9.89, um 19.25 Uhr [/] Am Montagsgebet, am 11.9.89, um 17.45 Uhr, haben in<br />

der Nikolaikirche in Leipzig ca. 1000 Personen teilgenommen. Während des Gebetes wurde die VP tätig, um<br />

schaulustige Gruppen aufzulösen. Nach 17.45 verblieben ca. 600 Personen auf dem Kirchhof. [...] Zum Schutz<br />

der Sicherheitskräfte wurden H<strong>und</strong>eführer eingesetzt. In einem FS [Fernschreiben] an das ZK werden weitere<br />

Informationen gegeben. Der BD der Abt. f. Sicherheitsfragen, Gen. Namokel, wurde informiert. [/] gez. Brückner<br />

[/] Verteiler: [/] Abt. f. Sicherheitsfragen [/] AG Kirchenfragen“ (SAPMO-BArch IV B 2/14/21)<br />

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