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Freunde und Feinde

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ausreisen. Wir haben irgend wo keine Mittel, keine Kraft mehr.<br />

Gemeindegesang: Kyrie, Kyrie eleison.<br />

Pf. Führer: Wir erleben es gerade in großer Breite, daß Menschen resignieren. Die einen flüchten sich in<br />

ihre privaten Wünsche <strong>und</strong> sichern sie weiterhin so gut es geht, die anderen gehen weg. Damit kann unser<br />

Land nicht weiterkommen. Morgen werden zwei Gespräche sein, Mittag 13.00 Uhr bin ich zum [Kreis-<br />

]Staatsanwalt eingeladen, um 15.00 Uhr beim Superintendent Richter <strong>und</strong> Pfarrer Wugk. Manchmal denkt<br />

man, Gespräche haben keinen Sinn mehr, aber ich möchte doch die Bitte hier aussprechen, daß diese<br />

Gespräche morgen den Inhaftierten zugute kommen. Und ich möchte auch die Bitte aussprechen, daß<br />

durch den Glauben an Jesus Menschen wieder sich aufrichten, so wie die Blume auch, wenn sie Wasser<br />

bekommt, wieder gerade steht <strong>und</strong> nicht umknickt, <strong>und</strong> daß immer mehr Menschen <strong>und</strong> auch die, wenn sie<br />

aus der Haft entlassen werden, wieder Mut schöpfen, hier zu bleiben, hier zu leben <strong>und</strong> untereinander<br />

zusammenzuhalten, damit unsere Heimat <strong>und</strong> all die Menschen, die hier leben, nicht in die Verzweiflung<br />

geraten. Kyrie eleison.<br />

Gemeindegesang: Kyrie, Kyrie eleison.<br />

Weiterer Mann: Ich will diese Blume in die Vase stecken, ich habe mir das die ganze Zeit schon<br />

gewünscht.<br />

Gemeindegesang: Kyrie, Kyrie eleison.<br />

E. Demele: Ich muß sagen, wenn ich so was höre, fürchte ich mich immer davor. Und ich muß ständig<br />

überlegen, mir bewußt machen, daß es einen Sinn hat, so weiterzumachen. Und muß mir immer wieder<br />

Kraft selbst geben. Und so möchte ich hoffen, daß diese Menschen sich nicht als Aussätzige, als kriminell<br />

empfinden, sondern daß sie weiter[machen?]. Es hat mich vorhin doch bestärkt, als vorhin gesagt wurde,<br />

daß man die Sicherheit immer wieder bekommen kann, daß man die Sicherheit auch geben kann. Das will<br />

ich für die anderen auch.<br />

Gemeindegesang: Kyrie, Kyrie eleison<br />

Gebet: Vater unser [...]<br />

J. Läßig: Zum Abschluß dieser Andacht möchte ich einige Bekanntmachungen geben. Eigentlich wollte<br />

ich jetzt etwas Werbung für diese Friedensgebete machen. Es ist jetzt, also ich bin jetzt selbst beeindruckt,<br />

<strong>und</strong> ich brauche da jetzt nichts mehr dazu zu sagen. Ich glaube, es ist doch notwendig, daß wir<br />

zusammenkommen. Das ist für mich auch selbst sehr angenehm, hier zu sein. Die nächsten Andachten<br />

sind am Freitag in Schleußig, in Bethanien. Das ist Straßenbahnlinie 1, hinter dem Clara-Zetkin-Park, A-<br />

Bus fährt auch. Dann am Samstag, also immer 18.00 Uhr, die Zeit bleibt, außer montags in der<br />

Nikolaikirche. Samstag in Anger-Crottendorf, Trinitatis, das ist Straßenbahn 8. Am Sonntag in der<br />

Reformierten Kirche, das ist am Engels-Platz, dürfte bekannt sein, diese große Straßenbahnhaltestelle. Am<br />

Montag wie immer 17.00 Uhr Nikolai, am Dienstag wieder in der Reformierten Kirche <strong>und</strong> am Mittwoch<br />

in Gohlis in der Versöhnungskirche. Es kann hier vorn gefragt werden, aber ich hoffe, daß wieder<br />

Aushänge gemacht werden 638 , damit in verschiedenen Kirchen das zu lesen ist. Es gibt ein paar<br />

Privatinitiativen, um auf die Situation der Gefangennahme hier in Leipzig aufmerksam zu machen. Und<br />

ich glaube, es ist auch deshalb wichtig, weil ja ein Ende nicht abzusehen ist. Es kann ja jeden Montag zu<br />

neuen Inhaftierungen kommen, <strong>und</strong> irgendwie haben verschiedene Menschen das Bedürfnis, sich dazu zu<br />

äußern. Es werden also 17.00 Uhr an der Nikolaikirche z.Zt. noch sehr wenig Blumen <strong>und</strong> Kerzen<br />

niedergelegt. Ich glaube es ist notwendig, dazu auch ein Schild zu machen, weil eigentlich Blumen <strong>und</strong><br />

Kerzen auch auf Verstorbene deuten können, das ist ja nicht der Fall 639 . Also wir wollen das nicht noch<br />

tragischer machen, als es wirklich ist. Wir haben jeden Tag auch, oder so oft es ist, Schilder hingehängt,<br />

wo dran steht für unsere Inhaftierten. Ich habe hier zwei Adressen, eine Adresse für Beschwerden an den<br />

638 Wie die Unterlagen der Koordinierungsgruppe zeigen, versuchte der Staat die Ankündigung der Fürbittgebete in<br />

den Kirchenschaukästen zu verhindern. Dies gelang ihm auch teilweise (Notizen vom 18./19.09. - ABL H 1).<br />

639 Ab dem 17.09. begann die Koordinierungsgruppe Blumen an die Fenster der Nikolaikirche zu stecken bzw.<br />

binden. Später wurden auch Schilder (besonders C. Fromme) angebracht <strong>und</strong> rechts neben dem damaligen<br />

Haupteingang Kerzen aufgestellt. Auf den Schildern stand z.B.: „In den Zeitungen dieses Landes steht: 'Hier<br />

herrscht Freiheit'. Das ist immer Irrtum oder Lüge: Freiheit herrscht nicht.“ „Sofortige Freilassung aller<br />

Inhaftierten...“ „Wer unsere <strong>Fre<strong>und</strong>e</strong> inhaftiert, mit dem reden wir nicht.“ „Solidarität mit den Inhaftierten“<br />

(Fotos u.a. in: Neues Forum Leipzig (1989), Hanisch/Hänisch/Magirius/Richter <strong>und</strong> im ABL)<br />

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