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Freunde und Feinde

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sogenannte Tabuthemen berühre, dazu zähle auch die Wehrdienst-, Menschenrechts- <strong>und</strong><br />

Ökologieproblematik sowie das Problem der Kernenergienutzung in der DDR. In diesem Zusammenhang<br />

wurde der Hoffnung Ausdruck verliehen, daß die Kirchenleitungen der evangelischen Kirchen in der DDR<br />

stark genug seien, „endlich wieder den Inhalt der Kirchenzeitungen selbst zu bestimmen“. In<br />

vordergründig erkennbarer Absicht, zu möglichen Eingaben zu inspirieren, wurde den Anwesenden die<br />

Adresse des Presseamtes beim Vorsitzenden des Ministerrates der DDR bekanntgegeben. [/] Eine<br />

weibliche Person artikulierte persönliche Unzufriedenheit, Zweifel <strong>und</strong> Problemfelder „angesichts der<br />

Folgen von Tschernobyl, Umweltverschmutzung <strong>und</strong> Quälereien des täglichen Lebens“ <strong>und</strong> unterstellte<br />

der DDR eine „zensierte Kultur“. Nach ihrer Auffassung ergäbe sich daraus zwangsläufig Zynismus <strong>und</strong><br />

Resignation. Ein Verlassen der DDR stelle jedoch keine Lösung der von ihr genannten Problem- <strong>und</strong><br />

Konfliktfelder dar.<br />

In einer „Fürbitte“ äußerte man sich „bestürzt“ über die „Mächtigen“ im Staat, die angeblich ohne<br />

Bedenken ihre Macht über Menschen ausüben würden. In die „Fürbitte“ wurden Wehrdienstleistende <strong>und</strong><br />

Wehrdienstverweigerer, Inhaftierte (die nur wegen der Unfähigkeit des Staates zum Dialog strafrechtliche<br />

Konsequenzen erleiden müßten), Verwandte von Inhaftierten (die Repressalien ausgesetzt seien) sowie<br />

Übersiedlungsersuchende (die alltäglichen Erniedrigungen ausgesetzt seien, ohne sich dagegen wehren zu<br />

können) einbezogen.<br />

Im Anschluß an das sogenannte Friedensgebet wurden mit einer geringen Anzahl von Personen in<br />

mehreren Gruppen „Nachgespräche“ geführt. Übersiedlungsersuchende äußerten dabei ihre<br />

Unzufriedenheit mit der Veranstaltung, während der sie ein „deutliches kirchliches Engagement“ für ihr<br />

Anliegen erwartet hätten. Durch anwesende kirchliche Amtsträger wurde versucht, mäßigend auf diese<br />

Personen einzuwirken.<br />

Im Zeitraum des „Friedensgebetes“ wurden durch ein Mitglied der „Regionalgruppe“ Leipzig des<br />

„Arbeitskreises Solidarische Kirche“ Druckmaterialien negativen Inhalts verkauft, darunter auch eine<br />

sogenannte Erklärung des „Arbeitskreises Solidarische Kirche - Regionalgrupppe Thüringen“ zur<br />

Ausreiseproblematik. (Anlage)<br />

Das sogenannte Friedensgebet <strong>und</strong> die „Nachgespräche“ verliefen ohne Störung der öffentlichen Ordnung<br />

<strong>und</strong> Sicherheit <strong>und</strong> hatten außerhalb der Kirche keine Öffentlichkeitswirksamkeit.<br />

In der Vergangenheit wurden wegen der in regelmäßigen Abständen stattfindenden Veranstaltungen mit<br />

den kirchlichen Amtsträgern Gespräche zur Unterbindung negativer Erscheinungen geführt. [/] In<br />

Auswertung dieser Veranstaltungen wurden in Abstimmung mit der Bezirksleitung Leipzig der SED <strong>und</strong><br />

den zuständigen staatlichen Organen differenzierte Maßnahmen gegenüber kirchenleitenden Amtsträgern<br />

eingeleitet, mit dem Ziel der Unterbindung des feindlich-negativen Charakters der wöchentlich<br />

stattfindenden „Friedensgebete“. [/] Der zuständige Stellvertreter Inneres des Bezirkes Dresden führte<br />

außerdem mit dem amtierenden Präsidenten der Landeskirche Sachsens, Oberkirchenrat Schlichter, ein<br />

Gespräch <strong>und</strong> forderte, die Interessen des Staates energischer durchzusetzen.<br />

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt!<br />

Anlage zur Information 232/88<br />

Abschrift Jena, März 1988<br />

Erklärung [/] des Arbeitskreises Solidarische Kirche - Regionalgruppe Thüringen - zur<br />

Ausreiseproblematik<br />

1. Die Zahl der Ausreisewilligen DDR-Bürger nimmt seit einigen Jahren ständig zu <strong>und</strong> hat inzwischen<br />

ein drastisches Ausmaß erreicht. Mit der Zunahme der Anträge <strong>und</strong> vereinzelter spektakulärer<br />

Handlungen <strong>und</strong> Aktionen Ausreisewilliger zur Forcierung ihrer Anträge geht eine wachsende<br />

Diffamierungs- <strong>und</strong> Kriminalisierungskampagne des Staates einher, der sich auf ihre Weise leider<br />

inzwischen auch zahlreiche kirchliche <strong>und</strong> unabhängige Gruppen in Form von Ausgrenzungs- <strong>und</strong><br />

Verurteilungserklärungen angeschlossen haben. Die von allen Beteiligten häufig sehr emotional<br />

geführte Debatte macht deutlich, daß jeder von uns allen auf irgendeine Weise persönlich von diesem<br />

Problem betroffen ist.<br />

2. Die große Zahl der Anträge <strong>und</strong> häufig nicht weniger ihre Begründungen machen deutlich, daß es hier<br />

nicht mehr nur um Einzelschicksale oder Privatprobleme geht. Deshalb halten wir die Ausgrenzung<br />

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