11.12.2012 Aufrufe

Freunde und Feinde

Freunde und Feinde

Freunde und Feinde

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

232 Polizeibericht<br />

Information des Stellvertreters des Leiters der Kriminalpolizei <strong>und</strong> Leiter des Dezernat 1 der BDVP,<br />

Oberstleutnant Patze, über das Friedensgebet am 02.10.1989 vom gleichen Tag. Die Xerokopie trägt<br />

Bearbeitungsspuren (StAL BT/RdB 22377).<br />

Am heutigen Friedensgebet, welches von 17.00-17.45 Uhr in der Nikolaikirche Leipzig stattfand, nahmen<br />

ca. 2.500 Personen teil684 . Bereits ca. 16.00 Uhr war die Kirche wegen Überfüllung geschlossen<br />

worden685 . Durch Ordner wurden die Teilnehmer auf ein weiteres Gebet hingewiesen, welches gegen<br />

17.00 Uhr in der Ev.-reformierten Kirche stattfinden sollte. Die Eröffnung nahm Pfarrer Führer vor.<br />

Anschließend sprach Jugendpfarrer Kaden die Predigt. In einem Gleichnis sprach er zum Thema „Teufel<br />

<strong>und</strong> Hölle“. In seiner Geschichte hat der Teufel alle Verbrecher der Welt unter sich. Ihm wurde gestattet,<br />

den größten Verbrecher zu verbrennen. Der Teufel entschied sich aber für den „braven Bürger“, der zu<br />

allem „Ja <strong>und</strong> Amen“ sagt <strong>und</strong> keine eigene Meinung hat. Der brave Bürger ist auch schuld an der<br />

derzeitigen Situation. Alle müssen sich schuldig bekennen, so auch er selbst, <strong>und</strong> alle Anwesenden. Man<br />

habe zu lange tatenlos zugeschaut, wohin die Entwicklung geht. Anschließend brachte Kaden massive<br />

Angriffe auf Partei, Staat <strong>und</strong> Regierung vor. Er forderte den Rücktritt des Politbüros <strong>und</strong> der Regierung.<br />

Die Sicherheitsorgane sollten aufgelöst werden. In seiner Wortwahl war K. sehr geschickt <strong>und</strong> verstand es,<br />

laufend Stimmungshöhepunkte zu schaffen686 . Der gesamte Beitrag wurde mit frenetischem Beifall <strong>und</strong><br />

Getöse begleitet. Durch die Predigt wurde die Stimmung unter den Gebetsteilnehmern wesentlich<br />

angeheizt. Abschließend gab K. bekannt, daß seiner Meinung nach die Zeit für eine Demonstration heute<br />

nicht gegeben sei 687.<br />

Im Anschluß daran sprach ein Mitglied der AG „Umweltschutz“ zum Zusammenhang Ökonomie <strong>und</strong><br />

Ökologie. Er forderte die Regierung auf, die Ökonomie zugunsten des Umweltschutzes zu verringern <strong>und</strong><br />

die Bürger zu mehr Sparsamkeit zu erziehen. Zum Schluß des Friedensgebetes wurde ein Schreiben einer<br />

Ev. Studentengemeinde verlesen. Damit erklärten sich die ESG mit den Inhaftierten der letzten<br />

Demonstration solidarisch. Weiterhin wurde die Auflösung der Sicherheitsorgane gefordert.<br />

233 Ereignisbericht<br />

Vermerk Pf. Führers über eine Information, die er am 03.10.1989 von einem Soldaten <strong>und</strong> einem Polizisten<br />

erhielt (Computerausdruck) (ABL H 1).<br />

Sinngemäße Wiedergabe einer Information, die am 3.10.89 vormittags in einer NVA-Kaserne in Leipzig<br />

vom Leiter der Politabteilung für Vertreter der Einheiten gegeben wurde:<br />

Der Westen beabsichtige durch maximale Abwerbung von Arbeitskräften, die Produktion zu stören. [/]<br />

Erich Honecker betrachtet Leipzig als das Zentrum der Konterrevolution. Drei Orte sind speziell zu<br />

nennen: [/] Berlin, Zionskirche, Leipzig, Nikolaikirche <strong>und</strong> Wittenberg. [/] Dazu kommen die<br />

oppositionellen Gruppen: Neues Forum, die Ost-CDU, die SPD-DDR <strong>und</strong> „Demokratie Jetzt“.<br />

Rädelsführer seien Bohley, Henrich (Ehemaliger Staatsanwalt) <strong>und</strong> Michael Arnold<br />

684 Mielke teilte Honecker, Stoph, Dohlus, Hager, Herrmann, Jarowinsky, Kreuz, Mittag, Dickel, Herger,<br />

Sorgenicht, Löffler u.a. mit, daß es ca. 2000 Besucher gewesen seien (ZAIG Nr. 435/89 - BStU ZAIG 3748,<br />

abgedruckt in: Kuhn (1992), 38f.).<br />

685 Das MfS sprach von „ca. 3000 Personen“ „vor <strong>und</strong> in der Umgebung der Nikolaikirche“ (ZAIG, Nr. 435/89 - s.<br />

vorhergehende Anm.).<br />

686 Die Ansprache von Pf. Kaden ist abgedruckt in: Hanisch/Hänisch/Magirius/Richter, 34-36. In der Ansprache ist<br />

jedoch weder vom Politbüro die Rede noch von einem „Auflösen der Sicherheitsorgane“.<br />

687 vgl. die Beobachtung zur Predigt K. Kadens von W. Heiduczek in: ders. (1990), 91ff. Dort heißt es u.a.: „Alles<br />

stimmte, alles war richtig. Die Kanzlei [besser: Kanzel] wird zum Tribunal. Die Logik seiner Rede drängte zu<br />

dem Satz: Geht auf die Straße, aber geht ohne Gewalt! Kaden jedoch sagte: Darum halte ich Demonstrationen in<br />

der jetzigen Form zur Zeit als Mittel zur Verbesserung des politischen Klimas in unserem Land für wenig<br />

sinnvoll.Pf. Kaden demonstrierte jedoch am 02.10. mit!<br />

338

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!