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Freunde und Feinde

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Verantwortung für die Gewährleistung von Ordnung <strong>und</strong> Sicherheit vor <strong>und</strong> während des Kirchentages<br />

zu übernehmen.<br />

Landesbischof Hempel führte aus, daß er zwei Dinge sehe, einesteils die ungeklärte Frage, wie weit<br />

Kirche politisch gehen darf, <strong>und</strong> daß er gr<strong>und</strong>sätzlich bei all seinen Aussagen den Gruppen sagen müsse,<br />

daß all die „beschwerenden Dinge“, die die Gruppen so drücken, ja auch <strong>und</strong> immer wieder mit dem Staat<br />

besprochen werden. Er sehe also unter dem Aspekt des 06.03.1978 eine große sachliche Identität, aber<br />

auch sachliche Unklarheit eben zu dem Problem, wie weit könne Kirche politisch sein. Dr. Hempel<br />

erläuterte die „protestantischen Möglichkeiten“ einer Disziplinierung, die er als außerordentlich gering<br />

beschrieb, betonte aber, daß er sehr wohl verstanden habe, der Staat will nun, daß endlich mit den leidigen<br />

Geschichten in der Nikolaikirche Schluß gemacht wird. „Ich habe den Schritt in die Öffentlichkeit immer<br />

gescheut, was daran liegt, daß ich dann auf die Dinge kommen muß, die wir unter uns besprechen.“<br />

Bischof Dr. Hempel sagte zu, daß er mit dem Pfarrer der Nikolaikirche, Herrn Führer, sprechen werde.<br />

Das Friedensgebet am 27.02.1989 war als Gottesdienst gesehen ein „disqualifizierter Akt der Kirche“.<br />

„Wir werden uns weiter um die theologische Qualifizierung des Friedensgebetes bemühen, so wie das<br />

Prof. Kühn am 13.03.1989 getan hat“. Im weiteren Gespräch gelang es den staatlichen Vertretern,<br />

eindringlich hervorzuheben, daß die absolute Notwendigkeit gegeben ist, ein gr<strong>und</strong>sätzliches<br />

theologisches Wort des Landesbischofs zu sprechen, wozu er sich schließlich bereit erklärte 455 . „Ein<br />

theologisches, aber differenziertes Wort. Die Sachen, die diese wollen, haben wir auch besprochen, das<br />

muß ich dazu sagen.“ Es konnte festgestellt werden, daß bei Oberlandeskirchenrat Schlichter <strong>und</strong> Herrn<br />

Cieslak starke Unsicherheit <strong>und</strong> Betroffenheit vorhanden war, die dazu führte, daß Bischof Hempel in<br />

seinen Aussagen keine verbale Unterstützung erhielt, Schlichter <strong>und</strong> Cieslak erst dann sprachen, als sie<br />

durch den Staatssekretär persönlich angesprochen wurden <strong>und</strong> dann aber nur zu Detailproblemen der<br />

Vorbereitung des Kirchentages bzw. der „Notwendigkeit einer Veränderung der Preispolitik“ in der DDR,<br />

so Schlichter, Aussagen trafen. Im Verlaufe des Gespräches wurde eine Reihe von gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />

Problemen angesprochen <strong>und</strong> diskutiert. In diesem Zusammenhang positionierte sich Landesbischof Dr.<br />

Hempel mehrfach. Einige Aussagen können wörtlich wiedergegeben werden: „Er ist enttäuscht, daß<br />

manches anders geworden ist seit dem 06.03.1978. Unsere Regierung stellt sich auch anders dar. Ich muß<br />

aber bei allem darauf verweisen, auf die staatliche Primärverantwortung.“ „Es gibt Defizite, die sich<br />

mehren, Rede- <strong>und</strong> Meinungsfreiheit. Ich vermisse bei ihnen ein Stück Selbstkritik. Hätte ich nicht meinen<br />

Glauben, wäre es für mich schwer, hier zu leben.“ „Zur Volksbildung haben sie uns ja mehrfach gesagt,<br />

daß es keine Gespräche gibt. Was fürchten sie eigentlich? Es sind doch auch die ihrigen [sic!], die sie<br />

[sic!] ja ausgebildet haben.“ „Wir sprechen über die gleichen Themen, wie schon immer vorher. Es ist hier<br />

ein Raum nicht da, den viele Leute brauchen. Das haben wir viele Male schon gesagt <strong>und</strong> sagen es immer<br />

wieder.“ Landesbischof Dr. Hempel brachte seine persönliche Betroffenheit über die Ernsthaftigkeit der<br />

staatlichen Aussagen im Zusammenhang mit der Zustimmungserklärung für die Durchführung des<br />

Kirchentages zum Ausdruck. Zur weiteren Vorbereitung des Kirchentages wurde vereinbart, daß am<br />

Dienstag, dem 21.03.1989, eine Beratung mit dem Kirchentagsausschuß stattfindet <strong>und</strong> das vorgelegte<br />

Programm des Kirchentages beraten wird.<br />

Durch den Vorsitzenden des Landeskirchentagsausschusses wurde ausdrücklich betont,<br />

− daß es ein Kirchentag der Landeskirche Sachsens ist, zu dem nur einzelne Teilnehmer <strong>und</strong> keine<br />

Gruppenanmeldungen erfolgen, (bisher liegen 2500 Einzelanmeldungen zum Kongreß vor)<br />

− daß es während des Kongresses den Medien untersagt wird, an den Beratungen teilzunehmen <strong>und</strong> eine<br />

Medienarbeit über Pressekonferenzen erfolgt,<br />

− daß noch keine Übersicht über die ausländischen Teilnehmer besteht, ihre Einladung <strong>und</strong> Einreise aber<br />

ausdrücklich über die Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen zu klären ist,<br />

− daß ein Angebot des Staatssekretärs für Kirchenfragen geprüft wird, Karten für Kirchentagsteilnehmer<br />

zu öffentlichen Kultur- <strong>und</strong> Filmveranstaltungen zu bestellen.<br />

Das Gespräch verlief insgesamt in einer sehr sachlichen <strong>und</strong> vertrauensvollen Atmosphäre. Bischof<br />

Hempel gelang es nicht, eine starke Betroffenheit zu überspielen.<br />

455 Über das Gespräch berichtete Opitz am 03.04.1989 auch an den Vorsitzenden des Ministerrates (StAL BT/RdB<br />

21395). Dort heißt es, daß Hempel ein „gr<strong>und</strong>sätzliches theologisches Wort“... „in Aussicht stellte“.<br />

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