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Freunde und Feinde

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Konziliarer Prozeß<br />

Auf der 6. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Vancouver 1983 wurde auf<br />

Anregung der DDR-Delegierten beschlossen, die Kirchen zu bitten, einen „konziliaren Prozeß<br />

gegenseitiger Verpflichtung (B<strong>und</strong>) für Gerechtigkeit, Frieden <strong>und</strong> die Bewahrung der Schöpfung“ zu<br />

beginnen (epd-Dok 46/83). Der Zentralausschuß des ÖRK beschloß 1984, daß dieser Prozeß zu einer<br />

ökumenischen Weltversammlung führen sollte. Die B<strong>und</strong>essynode der Evangelischen Kirchen in der DDR<br />

beauftragte 1985 die KKL mit der Koordinierung solch eines „Konzils“ <strong>und</strong> rief die Gemeinden zur<br />

Mitarbeit daran auf. 88 Am 13.02.1986 gab der Dresdener Stadtökumenekreis den Gemeinden in der DDR<br />

die organisatorische Empfehlung, zunächst „im eigenen Haus“ zu versuchen, was zu der<br />

Weltversammlung führen soll. Daraus entwickelten sich dann die drei ökumenischen Versammlungen in<br />

der DDR (Dresden <strong>und</strong> Magdeburg 1988/89) 89 . Die Synode der Sächsischen Landeskirche verhandelte<br />

den Dresdener Vorschlag im März 1986. U.a. der Sozial-Ethische Ausschuß der Synode engagierte sich in<br />

der Folgezeit für die Arbeit am Konziliaren Prozeß in Sachsen. In Leipzig wurde dafür der BSA<br />

geschaffen. Da sich kirchliche Gremien in großer Vielfalt an diesem „Prozeß“ beteiligten, konnte die<br />

Arbeit der verschiedenen Basisgruppen innerhalb der Kirche kaum noch als illegitim hingestellt werden.<br />

So trat mit dem Konziliaren Prozeß „eine neues Subjekt kirchlichen Redens“ in Erscheinung 90 , <strong>und</strong> mit<br />

dem Verweis auf den Konziliaren Prozeß konnten sich politisch-alternative Gruppen kirchlich<br />

legitimieren. Im Rückblick läßt sich feststellen, daß eine Integration der politisch-alternativen Gruppen in<br />

die kirchliche Arbeit vor allem im Konziliaren Prozeß gelang, da hier das politische Mandat der Kirche<br />

nicht über seine Grenzen thematisiert wurde. Für Leipzig verbanden sich neben den Friedensgebeten drei<br />

Institutionen mit dem Konziliaren Prozeß: der BSA, das KOZ <strong>und</strong> die von den Gruppen organisierten<br />

Zukunftswerkstätten bzw. Tage des Konziliaren Prozesses. Einige Leipziger Gruppen konnten Vertreter in<br />

die ökumenische Versammlung nach Dresden <strong>und</strong> auch nach Basel entsenden (Aktion Sühnezeichen, AG<br />

Friedensdienst, Friedenskreis Grünau/Lindenau, IHN, AGU, AKSK).<br />

Die zwölf Themenkomplexe der ökumenischen Versammlung waren: Umkehr zu Gerechtigkeit, Frieden<br />

<strong>und</strong> Bewahrung der Schöpfung; Leben in Solidarität; Mehr Gerechtigkeit in der DDR; Der Übergang von<br />

einem System der Abschreckung zu einem System der politischen Friedenssicherung; Wehrdienst <strong>und</strong><br />

vormilitärische Ausbildung; Friedenserziehung; Kirche des Friedens werden; Neue Lebensweisen; Den<br />

Menschen dienen - das Leben bewahren; Ökologie <strong>und</strong> Ökonomie; Energie für die Zukunft; Der Wert von<br />

Informationen für Umweltbewußtsein <strong>und</strong> -engagement.<br />

Montagsdemonstrationen<br />

Die Demonstrationen der H<strong>und</strong>erttausend im Oktober/November 1989 hatten eine längere Vorgeschichte<br />

(z.B. Kerzendemonstrationen im Herbst 1983). Die erste Demonstration an einem Montag gab es während<br />

der Frühjahrsmesse 1988. Zur Herbstmesse wurde eine erneute Demonstration erwartet. Sie wurde dann<br />

Teil des Auszugs einiger Gruppenmitglieder aus den Friedensgebeten, nachdem sie an deren<br />

Mitgestaltung gehindert wurden. Nach nichtgenehmigten Aktionen innerhalb der Kirche war die zweite<br />

Etappe des Auszugs, eigene Veranstaltungen auf dem Nikolaikirchhof durchzuführen. So wurde dieser<br />

Platz zum politischen Forum (Speakers Corner, Transparente, Flugblätter, Kerzen, Demonstrationen), <strong>und</strong><br />

aus den Nachgesprächen, die im Frühjahr/Sommer 1988 in der Kirche stattfanden, wurden Meetings auf<br />

dem Nikolaikirchhof. Die strategische Konstellation war perfekt, denn eine Behinderung durch den DDR-<br />

Sicherheitsapparat war kaum möglich. Der Zugang mußte im Interesse „freier Religionsausübung“<br />

gewährt werden, aber auch ein späteres Eingreifen konnte als „Willkürakt gegen Gottesdienstbesucher“<br />

gedeutet werden. Kirchenvertreter dagegen konnten mit gutem Gewissen sagen, daß sie das, was vor der<br />

Kirche geschieht, nicht beeinflussen können. Damit scheiterte die von der SED initiierte<br />

88 Beschluß vom 24.09.1985, in: KiS 6/1985, 245<br />

89 s. Neubert (1985); Tammer, 113 <strong>und</strong> Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden <strong>und</strong> Bewahrung der<br />

Schöpfung<br />

90 Ziemer, in: Bericht der Enquete-Kommission, 170<br />

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