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Freunde und Feinde

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Annullierung der bereits erlassenen Strafbefehle <strong>und</strong> Geldstrafen wegen einer angeblichen<br />

„Zusammenrottung“. [/] Von der Regierung fordern wir die Bestrafung der für den Polizeieinsatz<br />

Verantwortlichen, da diese polizeiliche Maßnahmen einen Verstoß gegen die Menschenwürde <strong>und</strong> gegen<br />

die freie Glaubens- <strong>und</strong> Religionsausübung darstellen.<br />

Wir bitten Sie, Bürger dieses Landes, um die Solidarität für die Inhaftierten <strong>und</strong> Verfolgten in Leipzig.<br />

208 Ereignisbericht<br />

Aktennotiz von Pf. Führer über die Vorgänge um das Friedensgebet in St. Nikolai am 18.09.1989 vom<br />

gleichen Abend. Vorlage ist eine Xerokopie des Typoskriptes (ABL H 1).<br />

1. In der Kirche waren etwa 1800 Menschen, so daß wir die 2. Empore auch noch öffnen mußten. [/] Vom<br />

LKA abgeordnet OKR Kreß.<br />

2. Ablauf622: Begrüßung: C. Führer623<br />

Andacht: Grünauer Katholiken mit Pater Bernhard624 Schlußwort: Pf. Wugk im Namen der Superintendenten.<br />

3. Die Atmosphäre im Gotteshaus war ruhig, es gab Beifall, der nicht „aufgeheizt“, sondern auch sachlich<br />

an der rechten Stelle war. Es wurde mitgesungen, das Vaterunser vereinte die meisten.<br />

4. Sowohl in der Begrüßung, noch deutlicher absprachegemäß im Schlußwort wurde gebeten, die<br />

Hoffnung von der Kirche auch auf den Platz vor der Kirche auszudehnen, den Einsatz der<br />

Sicherheitskräfte gegenstandslos zu machen, zügig in allen Richtungen nach Hause zu gehen.<br />

5. Alle verfügbaren Ausgänge wurden geöffnet (A, B, D). Schon während der Andacht wurde mir 2x<br />

berichtet, daß draußen alles abgeriegelt ist <strong>und</strong> 17.30 Uhr die erste Zuführung beobachtet wurde.<br />

6. Der „Auszug“ aus der Kirche verlief erstaunlich in unserem Sinn, alles war in Bewegung, die<br />

Andachtsbesucher konnten ungehindert durch die Polizeikette nach Hause. Als noch kleine Grüppchen<br />

auf dem Platz waren, gingen OKR Kreß, Pfr. Wugk <strong>und</strong> ich auf den Platz <strong>und</strong> baten die Menschen,<br />

nach Hause zu gehen.<br />

Ich machte einen R<strong>und</strong>gang um die Kirche <strong>und</strong> stellte fest, daß so gegen 18.30 Uhr der Platz um die<br />

Kirche leer war bis auf einzelne Personen. Ich überzeugte mich, daß die Menschen nach wie vor die<br />

Polizeiketten durchdringen konnten von „innen nach außen“. Pf. Berger brachte einige, die es nicht<br />

wagten, durch die Absperrung.<br />

7. Dann geschah das für uns völlig Unverständliche: die Polizei ließ mit einem Mal alle „von außen“, also<br />

die Zuschauer, von allen Seiten auf den Nikolaikirchhof. Der Platz füllte sich, es kam zu Geschrei -<br />

erstmals!-, Lieder wurden angestimmt.<br />

Seltsam: die zivilen Beamten griffen nicht ein! Dann zogen alle ab in die Ritterstraße. Die in<br />

Nachrichten 625 genannten Zuführungszahlen - etwa 100 Personen - werden jetzt entstanden sein.<br />

8. Inzwischen kam die Polizei in unser Haus, da sich etliche Personen im Haus aufhielten. Ich konnte eine<br />

friedliche Regelung erreichen. Pf. Wugk, ich begleitete einen „Zug“ mehrerer Personen mit OKR<br />

Kreß, der, als wir alle Polizeiketten hinter uns hatten, noch anbot, die jungen Leute mit zum Bahnhof<br />

zu nehmen. Sie wollten zuerst deshalb nicht die Kanzlei <strong>und</strong> das Haus verlassen, weil - wie sich später<br />

bei einem anderen ereignete - sie befürchteten, zugeführt zu werden, wenn wir wieder weg sind.<br />

9. Wir suchten danach das Gespräch mit dem Einsatzleiter. Ein Offizier - ob er der Leiter war, wissen wir<br />

nicht - hörte sich an, was wir (Wugk, ich) zu sagen hatten: daß der Platz leer war, die später<br />

Einströmenden nicht in der Kirche waren, weder unsere Aufrufe in noch außerhalb der Kirche gehört<br />

haben. Er versprach, es weiterzuleiten.<br />

10. Gegen 19.15 Uhr erreichte mich die Nachricht, daß M. Arnold beim Verlassen unseres Hauses<br />

622 Zu diesem FG liegt ein Tonbandmitschnitt vor (beim Herausgeber). E. Weiser (RdB Leipzig) berichtete in einem<br />

IN-Telegramm am 19.09. dem StfK über das FG (BArch O-4 973).<br />

623 abgedruckt in: Hanisch/Hänisch/Magirius/Richter (1990), 21f. <strong>und</strong> Kuhn (1992), 35f.<br />

624 Predigt abgedruckt: Hanisch/Hänisch/Magirius/Richter (1990), 22-25<br />

625 Quelle der Nachrichtenagenturen war vor allem die Koordinierungsgruppe [Herbst 1989] (s. Anhang)<br />

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