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Freunde und Feinde

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Trotz laufender Ermittlungsverfahren werden wir unsere Arbeit zu gesellschaftlichen Themen<br />

weiterführen. Wir bitten, besonders in unserer momentanen Situation, um Eure weitere Unterstützung <strong>und</strong><br />

Solidarität.<br />

131 SED-Information<br />

Information des 2. Sekretärs der SED-SL Leipzig an die SED-BL vom 24.01.1989 über den Ablauf des<br />

Friedensgebetes am 23.01.1989 <strong>und</strong> den Einsatz von gesellschaftlichen Kräften. Die Durchschrift wurde<br />

unterzeichnet von H. Schnabel (StAL SED A 5126).<br />

Am Montag, dem 23. Januar 1989, gegen 10.00 Uhr, wurde im Ergebnis einer Einschätzung zur Lage<br />

durch das Sekretariat der SED-Bezirksleitung der Auftrag erteilt, gesellschaftliche Kräfte 384 zur<br />

Verhinderung einer möglichen, erneut beabsichtigen Provokation im Stadtzentrum von Leipzig zum<br />

Einsatz zu bringen. In Übereinstimmung mit den Schutz- <strong>und</strong> Sicherheitsorganen wurde mit direkter<br />

Einbeziehung der Stadtbezirksleitungen <strong>und</strong> der Leitungen des VPKA erreicht, daß ab 16.00 Uhr ca. 400<br />

Genossinnen <strong>und</strong> Genossen aus dem Partei- <strong>und</strong> Staatsapparat sowie aus Gr<strong>und</strong>organisationen der<br />

Kombinate <strong>und</strong> Betriebe zum Einsatz bereitstanden 385 . Die gesellschaftlichen Kräfte wurden im Kinosaal<br />

von Leipzig-Information politisch in ihre Aufgabe eingewiesen, sie erhielten Instruktionen zur<br />

Durchführung ihres Auftrages. In der Nikolaikirche versammelten sich in der Zeit von 17.00-17.50 Uhr<br />

ca. 470 Teilnehmer 386 an einem Friedensgebet. Es mußte aufgr<strong>und</strong> vorliegender Informationen damit<br />

gerechnet werden, daß erneut nach dieser Veranstaltung ein Versuch für eine Provokation in Gestalt eines<br />

Marsches oder einer Demonstration unternommen wird 387 . Nach Beendigung des Friedensgebetes<br />

verblieben ca. 200 Personen auf dem Vorplatz der Nikolaikirche, ohne daß es zu einer provokatorischen<br />

Handlung kam.<br />

Die gesellschaftlichen Kräfte, ihre Präsenz im Zusammenwirken mit Schutz- <strong>und</strong> Sicherheitsorganen vor<br />

der Nikolaikirche <strong>und</strong> im Innern des Stadtzentrums trugen dazu bei, daß es zu keiner provokatorischen<br />

Handlung kam, so daß der Einsatz polizeilicher Mittel nicht erforderlich wurde 388 . Die Teilnehmer am<br />

Friedensgebet lösten sich zögernd auf, sie nahmen von den gesellschaftlichen Kräften Kenntnis <strong>und</strong><br />

suchten keine öffentliche Konfrontation. Gegen 18.30 Uhr war keine Absicht mehr zu erkennen, eine<br />

Provokation zu starten, so daß die gesellschaftlichen Kräfte zurückgezogen werden konnten. Es wurde<br />

bekannt, daß 2 Aufnahmeteams des BRD-Fernsehens ARD sich im Stadtzentrum aufhielten, ohne<br />

feststellen zu können, in welcher Weise Filmdokumentationen hergestellt wurden 389 . Der Einsatz der<br />

gesellschaftlichen Kräfte wie ihr Zurücknehmen aus dem Einsatzbereich erfolgte ohne Vorkommnis. Die<br />

Genossinnen <strong>und</strong> Genossen zeichneten sich durch hohe Einsatzbereitschaft <strong>und</strong> eine große Disziplin aus.<br />

Unter ihnen befanden sich 30 Schüler der Bezirksparteischule Leipzig.<br />

384 zu „gesellschaftliche Kräfte“ siehe Anhang S. 359<br />

385 Wie Protokoll Hummitzsch zum Telefonat Hackenberg am 23.01.89, 12.00 Uhr, zeigt, waren Hackenberg <strong>und</strong> H.<br />

Schnabel für die Bereitstellung der gesellschaftlichen Kräfte verantwortlich (BStU Leipzig AB 3843, 125). In<br />

diesem Telefonat wurden 300 Schüler der Bezirksparteischule als Einsatzkräfte angeboten.<br />

386 Die gleiche Zahl nannte Eppisch (MfS) am 23.01., 17.02 Uhr, Hummitzsch (BStU Leipzig AB 3843, 130).<br />

387 Mielke rief am 23.01., 15.15 Uhr, Hummitzsch an. Dieser notierte anläßlich des Telefonats: „Wenn sie laufen,<br />

aufladen. [...] müssen begreifen, daß wir das nicht dulden. Den [... geschwärzt] verpassen wir jetzt einen<br />

Denkzettel.“ Eine St<strong>und</strong>e später teilte H. Schumann mit, daß Beschluß des SED-Sekretariats vorbereitet wird.<br />

Darin ging es u.a. um verstärkte offensive politisch-ideologische Arbeit <strong>und</strong> eine Gesprächskampagne mit den<br />

Teilnehmern an der Demonstration am 15.01.1989 (BStU Leipzig AB 3843, 129).<br />

388 Während des Einsatzes fragten die Stellv. des Stasi-Ministers Neiber <strong>und</strong> Mittig mehrmals nach der Situation um<br />

die Nikolaikirche beim Leiter der BV nach, u.a. mit dem Hinweis, daß Krenz wissen wollte, „was los ist“ (BStU<br />

Leipzig AB 3843, 132).<br />

389 Sie fertigten Aufnahmen von den Organisatoren der Demonstration am 15.01.1989 (ohne dafür eine staatliche<br />

Filmgenehmigung erhalten zu haben).<br />

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