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Freunde und Feinde

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Staatlicherseits waren zugegen: OBM - Gen. Dr. Seidel, Stellv. d. OBM f. Inneres - Gen. Sabatowska,<br />

Mitarbeiter Kirchenfragen - Gen. Fenzlau<br />

Durch den OBM wurde eingangs nochmals auf die Fragen eingegangen, die der Anlaß seines Schreibens<br />

an den Kirchenvorstand der Nikolaikirche waren. Wie bereits in dem Antwortbrief des Kirchenvorstandes<br />

an den OBM zu lesen ist, sieht sich der Kirchenvorstand nicht in der Lage, das Montagsgebet am 4.9.1989<br />

abzusetzen, aber insgesamt gab es die Versicherung, im Rahmen dieses „Friedensgebetes“ beruhigend auf<br />

die Teilnehmer einzuwirken. Es wird auch verhindert werden, daß Westmedien Zugang zum<br />

Friedensgebet haben. [/] Im einzelnen gab es folgende Aussagen:<br />

Pf. Führer: Teilt zunächst mit, daß über 50 % des Kirchenvorstandes zu diesem Gespräch anwesend sind.<br />

Der Kirchenvorstand umfaßt insgesamt 13 Personen. Das Friedensgebet ist aus der Friedensdekade<br />

erwachsen <strong>und</strong> wird seit 1982 in der Nikolaikirche durchgeführt. Seit 1987 (Luxemburg-Liebknecht-<br />

Demonstration in Berlin 597 ) gibt es die Zuspitzung der Lage. Seine Gr<strong>und</strong>position: Der Mensch ist<br />

ganzheitlich. Nicht DDR-Bürger auf der einen Seite <strong>und</strong> Christ auf der anderen Seite. Beides ist nicht<br />

voneinander zu trennen. In der Kirche selbst habe es bisher keine Provokationen <strong>und</strong> keinen Mißbrauch<br />

des Friedensgebetes gegeben. Es gab innerkirchliche Probleme im vergangenen Jahr, aber diese seien jetzt<br />

beseitigt. Das Friedensgebet sollte nach der Sommerpause eigentlich am 28.8.1989 wieder beginnen, es<br />

wurde bereits um 1 Woche hinausgerückt <strong>und</strong> wird nun erstmalig am 4.9.1989 wieder stattfinden. Sup.<br />

Magirius selbst wird es durchführen.<br />

Sup. Magirius: Es hat sich in unserer Gesellschaft eine Situation ergeben, daß eine Anzahl Menschen, aus<br />

welchen Gründen auch immer, unsere Republik verlassen wollen. Sicher spielen auch materielle Dinge<br />

eine Rolle. Aber das ist nicht alles. Es gibt bei uns Dinge, die die Menschen müde machen.<br />

Informationspolitik, Benachteiligung im beruflichen Fortkommen, Bürokratismus,<br />

Schwierigkeiten in den Betrieben u.ä.<br />

Wir haben uns nicht ausgesucht, daß sich solche Antragsteller in unserer Kirche zu den Friedensgebeten<br />

versammeln.<br />

Die Kernfrage ist, was geschieht, wenn die Leute die Kirche verlassen. Durch Konfrontation mit der<br />

Polizei werden die Leidenschaften nur noch hochgeputscht. Ganz schlecht ist aber, daß von der Polizei<br />

zugeführte Personen sofort die Ausreise erhalten. Das spricht sich rum.<br />

KV-Mitglied Eichelbaum: Das Problem besteht darin, warum wollen diese Menschen aus der DDR weg.<br />

Man kann nicht alles auf Beeinflussung von außen abschieben. Man muß auch die Ursachen, die bei uns<br />

selbst liegen, erforschen <strong>und</strong> sie verändern.<br />

Problem Umweltschutz, einseitige Hilfe für Berlin<br />

KV-Mitglied Ramson: Der Ausfall des Friedensgebetes am 4.9.1989 hätte noch schlimmere<br />

Auswirkungen, als wenn es stattfindet. Die Leute sind aggressiver geworden. Man muß auf jeden Fall<br />

versuchen, die Anwesenheit der VP zu verringern.<br />

KV-Mitglied Frau Dr. Bormann: Ich bin traurig um jeden DDR-Bürger, der unser Land verläßt. Und da<br />

kann man nicht lächelnd sagen: Das sind ja nur 2%. Uns geht es um jeden Menschen. Wir erfüllen als<br />

Nikolaikirche in bestimmter Weise eine spezielle Funktion. Ich glaube, daß wir auch Aggressionen<br />

abbauen könnten. Es ist nicht einfach für die Verantwortlichen, sich in der Nikolaikirche vor 1000<br />

Menschen hinzustellen <strong>und</strong> zu ihnen zu sprechen. Ich wünsche mir, daß das auch einmal von<br />

Staatsfunktionären erfolgte. Es ist auf jeden Fall falsch, Polizei einzusetzen. Was für Provokationen<br />

befürchten Sie eigentlich? Viele Bürger sind schockiert über diesen Polizeieinsatz.<br />

KV-Mitglied Grünert: Ich wäre sehr dafür, daß sich das alles nicht vor der Nikolaikirche abspielt. Das<br />

müßte vielmehr vor dem Rathaus stattfinden. Ging dann auf Ursache ein, die seine Mutter veranlaßten, die<br />

Republik zu verlassen. (Bürokratismus in Reiseangelegenheiten)<br />

Pf. Führer: Sie, Herr Oberbürgermeister, haben eine anspruchsvolle Weltanschauung. In dessen<br />

Mittelpunkt steht der Mensch. Was sich aber auf dem Nikolaikirchhof abspielt, ist nicht mehr das Ringen<br />

um den Menschen. Das sind Polizeistaatmethoden. Wie sprechen wir mit solchen Menschen? Unser<br />

Vorteil ist, daß wir nicht die Macht haben, deshalb öffnen sich uns gegenüber die Menschen. Sie kommen<br />

aber leider erst dann zu uns, wenn es schon zu spät ist. Das ist nicht nur bei Ehescheidungen so. Das ist<br />

597 Die Demonstration, aus deren Anlaß es zu Verhaftungen in Berlin kam, fand am 17.01.1988 [!] statt.<br />

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