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Blicke ins Reich der Gnade

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KAPITEL 8<br />

ist da gleich für ein Auftun <strong>der</strong> Herzen gegeneinan<strong>der</strong>, für ein inniges<br />

Anschließen, für ein vertrauliches Mitteilen und zärtliches Teilnehmen!<br />

Da schüttet man sich einan<strong>der</strong> aus, da fließt man ineinan<strong>der</strong><br />

über, und Zeit und Weile wird nicht lange. Gegen jemand, <strong>der</strong><br />

unsre Nöte nicht aus Erfahrung kennt, ist man stumm, verschlossen<br />

und spürt nicht Lust, ihm mitzuteilen, weil man befürchtet, er<br />

werde uns we<strong>der</strong> verstehen noch nachempfinden können. Gewiß,<br />

auch gegen unsern himmlischen Freund ständen wir weit frem<strong>der</strong>,<br />

wäre er uns nicht ein Genosse unsrer Leiden geworden. Nun aber ist<br />

uns <strong>der</strong> Gedanke ungemein erquicklich, daß er selbst versucht ist<br />

allenthalben wie wir und die bittersten Ängste unsrer Seele kennt<br />

aus eigenem Empfinden. Wenn nun kein Mensch uns versteht, ach,<br />

so ist doch ein Freund zur Hand, dem wir nur ein weniges zu lallen<br />

brauchen von unsern Sachen und Ständen, so weiß er schon,<br />

wie uns zumute ist. Bis in die dunkelsten Nächte <strong>der</strong> Seele, bis in die<br />

schauerlichsten Tiefen innerlicher Leiden und Anfechtungen reicht<br />

seine Erfahrung hinunter. Unter keinem Wachol<strong>der</strong> kannst du sitzen,<br />

auch er saß einmal darunter; kein Dorn kann dich verletzen,<br />

auch sein Herz hat davon geblutet; kein Feuerpfeil treffen, auch auf<br />

sein Haupt ist er abgeschossen worden. Er kann wohl Mitleid haben;<br />

ja, glaub’s nur, liebe Seele, so oft du im Tiegel liegst, gehen dem<br />

Schmelzer die Augen über, und ein großes, heiliges, liebes Mutterherz<br />

blutet über dir vor Mitgefühl im Himmel.<br />

So waren es also in bezug auf die Sün<strong>der</strong>welt lauter Absichten <strong>der</strong><br />

Barmherzigkeit und Liebe, aus denen Gott seinen Sohn <strong>ins</strong> Feuer <strong>der</strong><br />

Versuchung stellte. Es fragt sich nun, ob Gott dabei nicht auf den<br />

Versucher selbst ein Absehen gehabt habe, und diese Frage möchte<br />

ich um so eher bejahen, je ausgezeichneter die Stellung ist, welche<br />

dieser gefallene Engelfürst im <strong>Reich</strong> <strong>der</strong> Geister ein nimmt. Jenes<br />

satyrmäßige Gebilde mit Hörnern und Tierfüßen, unter denen<br />

<strong>der</strong> Volksglaube den Teufel anzuschauen gewohnt ist, und in welchem<br />

mehr das Element des Lächerlichen, Plumpen und Gemeinen<br />

als das des Großartigen und Furchtgebietenden vorwaltet, hat wenig<br />

Wahrheit. Ungleich tiefer schon und an Realität und Wahrheit<br />

reicher ist die in so mancher Volkssage einer grauen Vorzeit leben-<br />

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