Blicke ins Reich der Gnade
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6.1. DIE ZEIT, IN WELCHER DAS GESICHT GESEHEN WURDE.<br />
lauterkeit und Verstellung, das Gesicht des Todes, <strong>der</strong> unser harrt,<br />
das Gesicht des zukünftigen Gerichtes, dem wir entgegengehen, das<br />
Gesicht des blutenden Heilandes, den wir verraten; wenn diese Gesichte<br />
dann gespensterartig in die stillen Kammern hereinbrechen<br />
und um unser Bett sich stellen und vor unsre Augen sich hängen,<br />
ja, das tut Wirkung. Wohin vor solchen schauerlichen Bil<strong>der</strong>n? In<br />
die Gesellschaft lustiger Freunde? Die liegen auf ihren Betten und<br />
schlafen. In das zerstreuende Geräusch <strong>der</strong> Werkstatt? Die ist geschlossen.<br />
Auf den Markt und in die Gassen unter das Gewühl <strong>der</strong><br />
Leute? Die Gassen sind leer, und auf dem Markt ist’s still. Es ist Nacht<br />
und nichts vorhanden, womit man die Ohren betäuben, die Augen<br />
verhängen und die Gedanken des Ernstes verjagen könnte. Da wird<br />
denn das Schiff des Herzens auf den Unruhwogen hin und her getrieben;<br />
man wirft Anker aus hierhin, dorthin, aber die Anker haften<br />
nicht; man sieht sich nach einem Hafen um für das arme Herz,<br />
aber sieh, in allen Häfen stürmt es, wie auf <strong>der</strong> offenen See, und man<br />
schwebt zwischen den Abgründen; man will den Sturm besprechen<br />
und ruft sich selber zu: „Gib dich zufrieden! Es hat ja nicht Gefahr,<br />
was sorgst du?Äber kein Trostgedanke haftet. Das Ungestüm wird<br />
ärger, bis man den gefunden, <strong>der</strong> seine Arme auseinan<strong>der</strong>tut, <strong>der</strong><br />
zum Meer spricht: „Verstumme!”Da wird es still, und da streicht<br />
man die Segel und liegt vor Anker. Unzählige Christen wissen von<br />
solchen schauerlichen, aber nicht min<strong>der</strong> heilvollen Nachtstücken<br />
aus ihrem Leben zu erzählen und können mit Hiob sprechen: „Da ich<br />
Gesichte betrachtete in <strong>der</strong> Nacht, wenn tiefer Schlaf auf die Leute<br />
fällt, da kam mich Furcht und Zittern an, und alle meine Glie<strong>der</strong> erschraken.<br />
Ein Geist wandelte vor mir vorüber, mir standen die Haare<br />
zu Berge an meinem Leib. Da stand ein Bild vor meinen Augen; es<br />
war still, und ich hörte eine Stimme: Wie mag ein Mensch gerechter<br />
sein denn Gott, o<strong>der</strong> ein Mann reiner sein, denn <strong>der</strong> ihn gemacht<br />
hat?Ö ihr, die ihr bei Tag an den brausenden Wasserstrudeln des<br />
Weltlebens die Stimme Gottes überhört, möchte denn auch euch<br />
in solchen Nachtgesichten und solchen Nachtbesuchen bald diese<br />
Stimme deutlicher zu hören gegeben werden! Ja, lieber die nächste<br />
Nacht als die darauffolgende, heiße es auch zu euch, wie e<strong>ins</strong>t zu<br />
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