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Blicke ins Reich der Gnade

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KAPITEL 4<br />

atmet Paradiesesluft und breitet ihre Fittiche weit auseinan<strong>der</strong> und<br />

möchte mit dem Bräutigam hinauf, hinauf in den seligen Hochzeitssaal.<br />

Seht, seht, so schaut Juda gen Osten, so ist es gelagert gegen<br />

Morgen.<br />

Ja, gegen Morgen, denn es harrt auf den Aufgang <strong>der</strong> Sonne. Bald<br />

wird sie kommen, wie ein Bräutigam aus seiner Kammer, Heil und<br />

Genesung unter ihren Flügeln. Schon läßt das Hahnengeschrei sich<br />

vernehmen allerorten unter Christen, Heiden und Juden; schon<br />

dämmert’s über den Nächsten, schon rötet sich <strong>der</strong> Himmel, und<br />

die Nebel, die den kommenden Tag verkünden, die Nebel des Aufruhrs<br />

und des Geschreis, aus den Feindeslagern empordunstend,<br />

setzen sich mit Macht in Bewegung. Er wird erscheinen, <strong>der</strong> Aufgang<br />

aus <strong>der</strong> Höhe; die Braut schreit ihm entgegen: „Komm, ja,<br />

komme bald!Ünd er wird kommen, <strong>der</strong> große Fürst in den Wolken<br />

des Himmels und dem Toben seiner Feinde bald ein Ende machen<br />

und den Berg Zion erhöhen über alle Berge <strong>der</strong> Erde. Darum sind<br />

wir gelagert nach Osten und haben unsre Fenster gegen Morgen.<br />

Und ob die Stunde, in <strong>der</strong> wir leben, auch noch Mitternacht heiße,<br />

wir atmen Morgenluft, hoffend und glaubend.<br />

Gegen Morgen ist Juda gelagert. Dahin schweifen seine <strong>Blicke</strong>, dahin<br />

tränen seine Augen, dahin schmachtet seine Seele. Durchwan<strong>der</strong>t<br />

die Gottesstadt und schaut, alles liegt gegen Morgen! Der ist des<br />

Pilgerns müde in diesem kalten und kahlen Mesechsland; Heimweh<br />

brennt in seinem Herzen, er sieht hinaus nach dem Morgen des<br />

ewigen Sabbats, ob er doch bald tagen möge. Der hat des Kämpfens<br />

genug in dieser stürmischen Fremde; er sehnt sich nach den<br />

Friedenshütten und fragt ohn’ Unterlaß: „Hüter, ist die Nacht bald<br />

hin?”Dieser, von Dunkelheiten und Zweifeln umlagert, läßt nicht<br />

ab, sein Fensterlein zu öffnen, ob nicht bald erscheinen werde jener<br />

Morgen, dessen Licht und Helle von keiner Nacht mehr soll<br />

verschlungen werden. Und dieser, von tausen<strong>der</strong>lei Verlegenheiten<br />

und Nöten umringt, würde keine fröhliche Stunde mehr haben,<br />

wenn er nicht mit den Hoffnungsaugen durch allen Wirrwarr jenen<br />

Morgen dämmern sähe, von dem <strong>der</strong> Dichter singt: „Träume sind<br />

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