Blicke ins Reich der Gnade
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KAPITEL 2<br />
die glänzenden Bil<strong>der</strong> und Gleichnisse, die lieblichen und rührenden<br />
Auftritte, von welchen die Schrift so voll ist. Er liest das heilige<br />
Buch mit feuriger Begeisterung, aber freilich mit keiner an<strong>der</strong>n als<br />
mit <strong>der</strong>, mit welcher er auch die gleißenden Erzeugnisse weltlicher<br />
Dichter liest, und er hält sich zu den Christen um des ästhetischen<br />
Genusses willen; von Bekehrung ist hier nicht die Rede. Der macht<br />
die Bemerkung, daß in den Häusern <strong>der</strong> Frommen doch unendlich<br />
mehr Ordnung und Eintracht wohne als in denen <strong>der</strong> Weltkin<strong>der</strong>.<br />
Der Friede, <strong>der</strong> hier waltet, und die Stille, die Liebe und <strong>der</strong> stete<br />
Frohsinn, dann auch <strong>der</strong> Segen, <strong>der</strong> kein Ende nimmt, und <strong>der</strong> gute<br />
Fortgang <strong>der</strong> Geschäfte, o wie ihm das alles gefällt und wohltut,<br />
zumal wenn er auf den großen Abstand hinblickt, in welchem sein<br />
Haus zu diesen Häusern steht. Er sieht diese Ruhe an, daß sie gut ist.<br />
„Ich bin des ewigen Lärmens und Zankens müde,”denkt er, „es soll<br />
nun auch in meinem Hause an<strong>der</strong>s werden: auch ich will das Christentum<br />
einführen;ünd er führt es ein. Es wird gelesen, gesungen,<br />
gebetet; man lärmt, man schwatzt, man tobt nicht mehr, und siehe,<br />
das Haus ist nun neugeboren. Ach ja, das Haus, nur lei<strong>der</strong> nicht das<br />
Herz. Der Leib ist da und die Form, aber es fehlen Geist und Leben;<br />
<strong>der</strong> Mensch ist aus <strong>der</strong> Welt hinweg, doch ach, die Welt ist darum<br />
noch nicht weg aus ihm. Der Rock ist gewechselt, aber die Person ist<br />
dieselbe geblieben.<br />
Seht, meine Brü<strong>der</strong>, so wird man ein Isaschar, zwischen den Grenzen<br />
gelagert. Man sieht die Ruhe an, daß sie gut ist, und das Land,<br />
daß es lustig ist. Es ist nicht das Verlangen nach Versöhnung, nicht<br />
<strong>der</strong> Hunger und Durst nach Gerechtigkeit und den <strong>Gnade</strong>nströmen<br />
des Heiligen Geistes, was einen zum Evangelium getrieben. Nein,<br />
<strong>der</strong> Vorrechte, <strong>der</strong>en sich die Kin<strong>der</strong> Gottes auch für dieses Leben<br />
schon erfreuen, möchte man auch gern teilhaftig werden: da wird<br />
man denn fromm aus eigener Wahl, still, zurückgezogen und gottesdienstlich<br />
durch selbstische Bemühungen. Man ergreift das Christentum,<br />
wie man ein Gewerbe, eine Wissenschaft o<strong>der</strong> eine Kunst<br />
ergreift, und man weiß sich alles anzueignen, was zum Christenwesen<br />
gehört. Nur zwei Sachen fehlen und mit ihnen alles, was das eigentliche<br />
Wesen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> Gottes ausmacht: das zerbrochene Herz,<br />
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