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Dialogue in and between Different Cultures - International ...

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48 Yana Tregubova<br />

10. Umgang mit Entschuldigungen<br />

Der gewünschte reaktive Sprechakt der <strong>in</strong>itiativen Entschuldigung ist dessen<br />

Annahme. “Inhaltlich hängt der Folgezug mit der Angemessenheit der<br />

Entschuldigung zusammen, die ihrerseits an die Erfüllung der Glückensbed<strong>in</strong>gungen<br />

gekoppelt ist” (Rathmayr 1996:107). Wichtiger Faktor, der den<br />

reaktiven Sprechakt mitbestimmt, ist die Schwere des Schadens. So ist die<br />

Ablehnung e<strong>in</strong>er Entschuldigung nur bei schweren und gelegentlich bei<br />

mittelschweren Schäden zu erwarten (vgl. ebd.:112ff). E<strong>in</strong>e zurückweisende<br />

Reaktion auf e<strong>in</strong>e konventionalisierte Entschuldigung <strong>in</strong> Bagatellfällen stellt e<strong>in</strong>e<br />

Abweichung von der gesellschaftlichen Norm dar und kann das Gesicht des/der<br />

Adressanten/<strong>in</strong> gefährden.<br />

E<strong>in</strong>e derartige Ablehnung ist <strong>in</strong> Russl<strong>and</strong> relativ oft <strong>in</strong> überfüllten<br />

öffentlichen Verkehrsmitteln anzutreffen, wo das Aggressionspotenzial das<br />

übliche Maß übersteigt. Es kann schon passieren, dass e<strong>in</strong> versehentlicher Tritt<br />

auf den Fuß des/der Nachbarn/<strong>in</strong> und darauf folgende Entschuldigung mit e<strong>in</strong>er<br />

belehrenden, an Beschimpfung grenzenden Empfehlung, die Augen aufzumachen<br />

oder sich e<strong>in</strong>e Brille verschreiben zu lassen, quittiert wird. Ohne den Begriff<br />

‘E<strong>in</strong>mischkultur’ von Rathmayr (1996:115) <strong>in</strong> Bezug auf Russl<strong>and</strong> zu befürworten,<br />

muss an dieser Stelle zugegeben werden, dass Russ<strong>in</strong>nen und Russen<br />

gewissermaßen zu Belehrungen neigen. Obwohl das aus me<strong>in</strong>er Sicht e<strong>in</strong>e Eigenschaft<br />

ist, die eher bei den Vertreter/<strong>in</strong>nen älterer Generationen zu beobachten ist.<br />

Der Fall, bei dem man e<strong>in</strong>em/r Freund/<strong>in</strong> unabsichtlich auf den Fuß getreten<br />

ist, bedarf im <strong>in</strong>terkulturellen Kontext e<strong>in</strong>er näheren Betrachtung. In e<strong>in</strong>er solchen<br />

Situation reicht im Russischen e<strong>in</strong>e Entschuldigung nämlich nicht aus. Anstelle<br />

e<strong>in</strong>es Entgegenkommens tritt der /die ‘Geschädigte’ <strong>in</strong> der Regel zurück. Dieses<br />

sche<strong>in</strong>bar grobe Verhalten darf jedoch nicht als Zurückweisung der Entschuldigung<br />

fehl<strong>in</strong>terpretiert werden. Ganz im Gegenteil, mit dem Erwidern des Tritts auf<br />

den Fuß signalisiert der/die Geschädigte, dass er/sie an e<strong>in</strong>er guten Beziehung<br />

zum Gegenüber <strong>in</strong>teressiert ist. Dieser Brauch wurzelt <strong>in</strong> der russl<strong>and</strong>weit verbreiteten<br />

abergläubischen Vorstellung, dass jem<strong>and</strong>em Auf-den-Fuß-Treten Streit<br />

br<strong>in</strong>gt, und dass der/die Geschädigte diesen verh<strong>in</strong>dern kann, wenn er/sie das<br />

Gleiche tut. Besonders beliebt ist dieses Ritual bei K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen und<br />

kann daher oft <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Tippens auf den Fuß auf den Schulhöfen beobachtet<br />

werden.<br />

Annahme und Ablehnung e<strong>in</strong>er Entschuldigung können sehr unterschiedliche<br />

Formen annehmen. E<strong>in</strong>e sehr höfliche Variante der Annahme ist zum Beispiel die<br />

M<strong>in</strong>imierung des Schadens, die st<strong>and</strong>ardmäßig als Reaktion auf e<strong>in</strong>e konventionalisierte<br />

Entschuldigung verwendet wird. Die Formulierungen s<strong>in</strong>d ebenfalls<br />

<strong>in</strong> hohem Maße konventionalisiert. E<strong>in</strong>e Annahme kann nicht nur mit e<strong>in</strong>er<br />

M<strong>in</strong>imierung, sondern auch mit e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schränkung versehen werden, z.B. no<br />

tol’ko v etot raz (“aber nur diesmal verzeihe ich dir”) (vgl. ebd.:108).

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