aktuelle Version des Vorlesungsskripts - ZIB
aktuelle Version des Vorlesungsskripts - ZIB
aktuelle Version des Vorlesungsskripts - ZIB
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
6 Maximale Flüsse in Netzwerken<br />
In diesem Kapitel behandeln wir ein in sowohl theoretischer als auch praktischer Hinsicht<br />
auß erordentlich interessantes Gebiet: Flüsse in Netzwerken. Es war früher üblich<br />
und wird aus Traditionsgründen häufig weiter so gehandhabt, einen Digraphen mit Bogengewichten<br />
bzw. -kapazitäten ein Netzwerk zu nennen. Sind zusätzlich zwei Knoten s<br />
und t ausgezeichnet, so spricht man von einem (s, t)-Netzwerk. Wir wollen diese Bezeichnung<br />
hier nur gelegentlich übernehmen, mit dem Kapiteltitel aber den historischen Bezug<br />
herstellen. Es wird sich (später) zeigen, dass die Netzwerkflusstheorie als ein Bindeglied<br />
zwischen der linearen und der ganzzahligen Optimierung aufgefasst werden kann. Netzwerkflussprobleme<br />
sind (ganzzahlige) lineare Programme, für die sehr schnelle kombinatorische<br />
Lösungsmethoden existieren. Der Dualitätssatz der linearen Programmierung<br />
hat hier eine besonders schöne Form.<br />
Netzwerkflüsse haben folgenden Anwendungshintergrund. Wir betrachten ein Rohrleitungssystem<br />
(Abwasserkanäle, Frischwasserversorgung), bei dem die Rohre gewisse Kapazitäten<br />
(z. B. maximale Durchflussmenge pro Minute) haben. Einige typische Fragen<br />
lauten: Was ist die maximale Durchflussmenge durch das Netzwerk? Welche Wassermenge<br />
kann man maximal pro Minute vom Speicher zu einem bestimmten Abnehmer pumpen?<br />
Wieviel Regenwasser kann das System maximal aufnehmen? Ähnliches gilt für Telefonnetzwerke.<br />
Hier sind die „Rohre“ die Verbindungen zwischen zwei Knotenpunkten, die<br />
Kapazitäten die maximalen Anzahlen von Gesprächen bzw. die maximalen Datenmengen<br />
pro Zeiteinheit, die über eine Verbindung geführt werden können. Man interessiert sich<br />
z. B. für die maximale Zahl von Gesprächen, die parallel zwischen zwei Orten (Ländern)<br />
geführt werden können, oder den größtmöglichen Datentransfer pro Zeiteinheit zwischen<br />
zwei Teilnehmern.<br />
Darüber hinaus treten Netzwerkflussprobleme in vielfältiger Weise als Unter- oder<br />
Hilfsprobleme bei der Lösung komplizierter Anwendungsprobleme auf, z. B. bei vielen<br />
Routenplanungs- und verschiedenen Logistikproblemen. Insbesondere werden Netzwerkflussalgorithmen<br />
sehr häufig als Separierungsroutinen bei Schnittebenenverfahren eingesetzt,<br />
ein Thema von ADM II und ADM III.<br />
Das klassische Werk der Netzwerkflusstheorie ist das Buch L. R. Ford and Fulkerson<br />
(1962). Es ist auch heute noch lesenswert. Es gibt unzählige Veröffentlichungen zur Theorie,<br />
Algorithmik und den Anwendungen der Netzwerkflusstheorie. Durch neue algorithmische<br />
Ansätze (Präfluss-Techniken, Skalierungsmethoden) und effiziente Datenstrukturen<br />
sind Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre sehr viele Artikel zu diesem Thema<br />
erschienen. Gute Darstellungen hierzu sind in den umfangreichen und sehr informativen<br />
Übersichtsartikeln Ahuja et al. (1989), V. Goldberg and Tarjan (1990) und Frank (1995)<br />
zu finden. Ein sehr empfehlenswertes Buch ist Ahuja et al. (1993). Die beiden Handbücher<br />
Ball et al. (1995a), Ball et al. (1995b) enthalten umfassende Informationen zur<br />
115