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Ein Computerlinguistisches Lexikon als komplexes System

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Morphologische <strong>Ein</strong>heiten und Prozesse<br />

Affixoide<br />

Affixoide sind affix-ähnliche Gebilde, die die orthographische Form eines freien<br />

Morphems haben, deren Bedeutung aber nicht (mehr) mit der des freien Morphems<br />

übereinstimmt. Beispiele sind -mäßig, -artig, -durstig; super-, Affen-. Beispiele<br />

für Wortbildungsprodukte sind kosten mäßig, taten durstig, flucht artig;<br />

super reich, Affen schande. An den Beispielen ist erkennbar, dass es Abstufungen<br />

gibt: Affenschande hat nichts mit Affen zu tun, sondern es handelt sich um eine<br />

Umschreibung für große Schande. Man könnte nun argumentieren, dass dies<br />

auch für Komposita gilt, deren Bedeutung sich nicht transparent aus der Bedeutung<br />

des Bestandteile erschließen lässt (Augen=Schein, Fleisch=Wolf). Der Unterschied<br />

ist jedoch, dass sich zahlreiche weitere Bildungen mit dem Erstglied<br />

Affen- finden lassen, die jeweils eine Verstärkung des Zweitgliedes ausdrücken:<br />

Affen hitze, Affen tempo, Affen theater. Das Affixoid ist reihenbildend.<br />

In einem Morphologiemodell, in dem Affixe sich von Grundmorphemen unter<br />

Anderem dadurch unterscheiden, dass sie ihre Basen nach morphologischen<br />

Eigenschaften selegieren, sind Affixoid eindeutig darstellbar: Affen (zu Affe )<br />

kann <strong>als</strong> Kompositionsstammform (z.B. in Affenhaus) auftreten. Affen- (zu Affen<br />

, Aff für ’Affix’) kann <strong>als</strong> Derivationsstammform 16 (z.B. in Affenschande)<br />

auftreten. Für Adjektivsuffixoide kann man entweder ebenfalls ein eigenes<br />

¡ , ,<br />

Lexem vorsehen, oder man interpretiert die Wortbildungsprodukte ohnehin <strong>als</strong><br />

Derivationen mit einer komplexen Basis (Tatendurst ig, vgl. Abschnitt 4.2.5).<br />

In allen Fällen kann eine eindeutige Entscheidung innerhalb des vorgestellten<br />

Modells getroffen werden. Welche dies jeweils ist, wird bei der Realisierung des<br />

<strong>Lexikon</strong>s entschieden.<br />

Exkurs: Derivationsaffixe in der Sprachgeschichte Obwohl in dieser Arbeit<br />

eine rein synchrone Sichtweise beschrieben wird, ist an dieser Stelle der Blick<br />

auf die Sprachgeschichte nützlich: Sprachgeschichtlich gesehen ist die Derivation<br />

ein Ableger der Komposition, da die heute nur noch gebunden auftretenden<br />

Affixe ursprünglich eigenständige Morpheme mit festen Bedeutungen waren.<br />

Zum Beispiel -bar entstand demzufolge aus der althochdeutschen Form beran<br />

’tragen’, <strong>als</strong>o ist z.B. fruchtbar der Herkunft nach ein Kompositum mit der<br />

Bedeutung ’Frucht tragend’ (vgl. Erben (2000), S. 54; siehe weiterhin Fleischer<br />

und Barz (1995), S. 252, Wilmanns (1899), S. 496, Kluge (1995), S. 79). Die<br />

heutigen Derivationssuffixe entwickelten sich <strong>als</strong>o von freien Morphemen über<br />

Affixoide erst zu Affixen, und heutige Affixoide entwickeln sich ebenso allmählich<br />

zu Affixen (vgl. Erben (2000), S. 136ff). Fleischer und Barz weisen darauf<br />

hin, dass die Zuordnung der Wortbildung mit Affixoiden zu Derivation oder<br />

Komposition in jüngerer Zeit wieder kontrovers diskutiert wird (vgl. Fleischer<br />

16 Da Affixoide in ihrer speziellen Bedeutung nicht frei vorkommen, muss man sie <strong>als</strong> Derivationen<br />

ansehen.<br />

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