1920-Placidus Plattner - Ein Veteran - Burgenverein Untervaz
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Sänger in die Saiten greifen wollte, um "das Treiben unserer Tage" zu<br />
schildern? Satz um Satz und Wort um Wort gilt seine "Klage" noch, nur in<br />
der x ten Potenz. Wo finden wir aber heute<br />
S. 67: einen Jeremias, der auf den Trümmern nicht Jerusalems, sondern der<br />
Menschheit, der Welt den Spiegel vorhält und Trauerlieder anstimmt, wie es<br />
<strong>Plattner</strong> getan, Trauerlieder, die mit ihrem Ernst und ihrer Kraft voll ins Herz<br />
hineingreifen? Ach, unsere Zeit hat viel Wichtigeres zu tun, als ihr "Treiben"<br />
zu beobachten und an die eigene Brust zu schlagen!<br />
Die "Sammlung" der Gedichte schliesst ab mit dem "Kreuze", und auch wir<br />
wollen dieses Siegeszeichen auf der Halle der Lieder aufrichten. Der<br />
Verfasser hat für dieses letzte Stück als Form die Terzine gewählt.<br />
Das Kreuz.<br />
Es steht ein Kreuz auf hoher Alpenfirne,<br />
Zu dem der Wanderer nur mit Grauen klettert,<br />
Hoch ragt es mitten auf der Felsenstirne.<br />
Der schlichte Stamm, er steht ohn' Angst und Zittern,<br />
Von wilden Stürmen des Gebirgs umwettert,<br />
Kein Element vermag ihn zu zersplittern.<br />
Oft flattern unzählbare Wolkenhorden<br />
Zu Häupten ihm, sich sammelnd zu Gewittern,<br />
Die bald nach Süden fahren, bald nach Norden.<br />
Der Donner rollt und grelle Blitze zünden,<br />
Als gält's die ganze Schöpfung hinzumorden,<br />
Wutschnaubend rast die Windsbraut in den Schlünden.<br />
Das Kreuz bleibt stehen über all den Trümmern,<br />
Der grausen Wildnis, die nur Tod verkünden,<br />
Ob auch die Stürme wie Schakale wimmern.<br />
Es weiss, einst wird die Sonne wieder strahlen,<br />
Der Sterne Kranz wird ihm zu Häupten flimmern,<br />
Drum thront es ruhig über Berg und Talen.<br />
So lag, am Opferpfahle festgekettet,<br />
Der Gottmensch einst in einem Meer von Qualen