Handreichung zur Kommunalen Entwicklungspolitik - BMZ
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Handlungsfelder und Perspektiven der <strong>Kommunalen</strong> <strong>Entwicklungspolitik</strong><br />
2.2 Bürgerhaushalt als Handlungsfeld<br />
Kommunaler <strong>Entwicklungspolitik</strong><br />
Der Bürgerhaushalt ist ein relativ neues Instrument der<br />
Bürgerbeteiligung, das die Bürger in die Aufstellung des<br />
Haushaltes ihrer Kommune einbezieht. Erstmals beschritten<br />
wurde dieser innovative Weg 1988 in der brasilianischen<br />
Millionenstadt Porto Alegre. Von dort aus wurde die Idee<br />
in viele Teile der Welt „exportiert“, so dass man inzwischen<br />
von einer einzigartigen Erfolgsgeschichte sprechen kann.<br />
Grund für seinen Erfolg ist die Tatsache, dass der Bürgerhaushalt<br />
die Demokratie beleben, erneuern, stärken<br />
und entwickeln kann und das in einem Ausmaß, wie es mit<br />
anderen politischen Instrumentarien kaum gelingt.<br />
1. Im Zentrum des Bürgerhaushalts stehen finanzielle<br />
Angelegenheiten.<br />
2. Die Beteiligung findet auf der Ebene der Gesamtstadt-<br />
oder -gemeinde oder auf der eines Bezirks<br />
(Kreis) mit eigenen politischen und administrativen<br />
Kompetenzen statt. Ein Stadtteilfond allein stellt keinen<br />
Bürgerhaushalt dar.<br />
3. Es handelt sich um ein auf Dauer angelegtes und<br />
wiederholtes Verfahren. Ein einmaliges Referendum<br />
zu haushaltspolitischen Fragen ist kein Bürgerhaushalt.<br />
4. Der Prozess beruht auf einem eigenständigen Diskussionsprozess.<br />
Die Einbeziehung von Bürgern in<br />
bestehende Verwaltungsgremien oder Institutionen<br />
der repräsentativen Demokratie stellt keinen Bürgerhaushalt<br />
dar.<br />
5. Die Organisatoren müssen Rechenschaft darüber<br />
ablegen, inwieweit die im Verfahren geäußerten Vorschläge<br />
aufgegriffen und umgesetzt werden.<br />
Der Bürgerhaushalt –<br />
Von Porto Alegre um die Welt<br />
Immer mehr Kommunen in Deutschland greifen zum Instrument<br />
des Bürgerhaushalts<br />
Fünf Kriterien sollten erfüllt sein, bevor von einem Bürgerhaushalt<br />
gesprochen werden kann 33 : Über diese Bestimmungen<br />
herrscht bei Kommunen wie bei Wissenschaftlern<br />
in Deutschland allgemein Konsens:<br />
33 Vgl. Servicestelle Kommunen in der Einen Welt: Internationaler Kongress<br />
zu Modellen des Bürgerhaushalts, Dokumentation, Dialog Global,<br />
Heft 24, Bonn, 2010, S.14f., online: www.service-eine-welt.de/images/<br />
text_material-2971.img<br />
Den Bürgern der brasilianischen Stadt Porto Alegre (1,4<br />
Mio. Einwohner) gebührt das Verdienst, den Bürgerhaushalt<br />
„erfunden“ zu haben. Der „Orçamento Participativo“<br />
wurde im Jahr 1988, ein Jahr nach der Verfassungsreform,<br />
die den Bürgern mehr Beteiligung zusagte, eingeführt und<br />
ist seitdem fester Bestandteil im kommunalpolitischen Leben<br />
der Stadt. Inzwischen hat sich der Bürgerhaushalt in mehr<br />
als 200 brasilianischen Städten etabliert, darunter in den<br />
Metropolen São Paulo (11 Mio. Einwohner), Belo Horizonte<br />
(3,1 Mio. Einwohner), Recife (1,4 Mio. Einwohner) und<br />
Belém (1,3 Mio. Einwohner).<br />
Grundidee in Porto Alegre war, die Bürger an der Entscheidung<br />
über die Verwendung der öffentlichen Mittel<br />
zu beteiligen. Dies geschah aus pragmatischen Gründen<br />
und war weniger anderen Überlegungen geschuldet. Denn<br />
der damals neu gewählte Bürgermeister von Porto Alegre<br />
benötigte für die Durchsetzung seiner Ziele die Unterstützung<br />
der Zivilbevölkerung, da er im Stadtrat nicht über die<br />
34 > DIALOG GLOBAL 28