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Skript / lecture notes - Universität Paderborn

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Prof. Dr. Wolf Gero Schmidt<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Paderborn</strong>, Lehrstuhl für Theoretische Physik<br />

Das Wasserstoffmolekülion dient oft of als Beispiel einer ”anschaulichen” Interpretation<br />

der chemischen Bindung. Im Lehrbuch ”Molekülphysik und Quantenchemie” von Hermann<br />

Haken und Hans Christoph Wolf (Springer, 1994) heißt es zum Beispiel: ”...ist<br />

bei dem gebundenen Zustand die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons zwischen<br />

den beiden Kernen relativ groß. Es kann also, energetisch gesehen, von der Coulombschen<br />

Anziehungsenergie beider Kerne profitieren, wodurch die potentielle Energie des Gesamtsystems<br />

abgesenkt wird. Im lockernden Zustand ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des<br />

Elektrons zwischen den beiden Kernen klein, in der Mitte sogar 0, was bedeutet, daß das<br />

Elektron fast nur die Anziehungskraft jeweils eines Kerns spürt.”<br />

Interessanterweise steht das im Widerspruch zur Aussagen eines anderen renommierten<br />

Lehrbuchs, ”Quantentheorie der Moleküle” von Joachim Reinhold (Teubner, 1994), wo<br />

es heißt: ”Oft wird [...] der Eindruck erweckt, als würden sich ”bindende” Elektronen<br />

(im Beispiel des H 2<br />

+ ein einzelnes Elektron, im allgemeinen aber ”Elektronenpaare”) deshalb<br />

bevorzugt (d.h. mit großer Wahrscheinlichkeit) zwischen den Kernen aufhalten, weil<br />

dann durch die räumliche Anordnung von negativer Ladung zwischen den beiden positiven<br />

Kernladungen die potentielle Energie besonders niedrig wäre. Diese auf klassische<br />

elektrostatischen Vorstellungen beruhende Interpretation ist jedoch unzulässig. Gründliche<br />

Analysen der Zusammenhänge ergeben ein anderes Bild. Zwar ist beim Gleichgewichtsabstand<br />

in der Tat die potentielle Energie abgesenkt (und die kinetische Energie<br />

weniger stark erhöht), aber für die Bindungsbildung, d.h. die anziehende Wirkung bei<br />

der Annäherung der Atome ist die Absenkung der kinetischen Energie entscheidend (die<br />

potentielle Energie wird dabei - wenn auch schwach - erhöht). Eine Erklärung dafür läßt<br />

sich aus der Unschärferelation folgern. Bei der Bindungsbildung kommt es in der Bindungsregion<br />

zu einer ”Durchdringung”, ”Überlagerung”, ”Überlappung” oder ”Interferenz”<br />

(hier ist das Wellenbild günstig) der atomaren Zustandsfunktionen (”Wellenfunktionen”).<br />

Bei ”bindenden” Verhältnissen (positive Überlappung) resultiert daraus eine Vergrößerung<br />

der Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen in der Bindungsregion, bei ”antibindenden”<br />

(”negative Überlappung”) eine Verringerung. Bei bindenden Verhältnissen<br />

stehenden Elektronen also größere Raumbereiche (im Vergleich zum Fall getrennter Atome)<br />

zur Verfügung, ihre Ortsunschärfe wird größer. Dadurch sinkt ihre Impulsunschärfe.<br />

Da der mittlere Impuls bei gebundenen Elektronen 0 ist, werden somit kleinere Impulse<br />

wahrscheinlicher. Wegen T = p 2 /2m e werden damit auch kleinere Werte für die kinetische<br />

Energie wahrscheinlicher, wodurch sich die mittlere kinetische Energie der Elektronen<br />

verringert. Durch diese Verringerung wird die Vergrößerung der potentiellen Energie<br />

überkompensiert. Die kinetische Energie ist damit der entscheidende Energiebeitrag für<br />

die Bindungsbildung.”<br />

Aus der Gegenüberstellung dieser beiden Aussagen wird deutlich, daß die ”anschauliche”<br />

Interpretation der Quantenmechanik ihre Grenzen hat, und man sich im Zweifelsfall auf<br />

die numerischen Ergebnisse beschränken muß.<br />

Tunneleffekt tunnel effect<br />

betrachten jetzt zeitabhängige Lösung des Wasserstoffmolekülions, aus Vereinfachungsgründen<br />

nehmen wir im folgenden verschwindenden Überlapp an, d.h. S = 0 now consider<br />

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