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15 ALLES WEG, ODER FAST ALLES 106<br />
rot unterlaufene hilflosigkeit zu ertragen.<br />
ich blickte durch das offene fenster über mein schlafgemach, auf dem deutlich<br />
die schmutzabdrücke mir fremder schuhe zu sehen waren. so läuft der hase also.<br />
ich zwang mich widerwillig zu der erkenntnis, daß jemand in meiner abwesenheit,<br />
womöglich ein dieb, alle, oder fast alle meine liebgewonnenen habseligkeiten von<br />
meinen bett weg über das andere bett weg aus dem geöffneten fenster weg hinaus<br />
in den dunkelgrünen urwald der insel weggetragen hatte, für <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> schatten<br />
des dichten tropenwaldes verschwunden.<br />
laß mich kurz nachdenken. waren die sachen noch da, als ich vor knapp einer<br />
stunde hier oben war? keine frage, sonst hätte ich die kohle nicht holen können.<br />
aber die war ja in den händen meines freundes, den ich augenblicklich in einer<br />
schwungvollen bewegung auf das bett feuere, um in seinem bauch das lederbeu-<br />
telchen mit den wertsachen zu suchen. wo ist der mist. scheiße. ich greife in den<br />
stoffbezug vor dem balg in der innenseite des akkordeons & fische den lederbeu-<br />
tel raus mit paß, kohle, ticket & den aufzeichnungen, zähle kurz die wertsachen<br />
durch & sehe, oder besser glaube, daß nix fehlt.<br />
mein geliebter schatz. mein gutes stück. mein retter in der not. du läßt mich<br />
nicht allein. du hältst zu mir. du bist zu schwerfällig, als daß dich schnell mal<br />
jemand mit der rechten oder der linken hand durch ein offenes fenster steigend<br />
mitn<strong>im</strong>mt, um danach über eine mauer zu springen oder sich durch dichten urwald<br />
zu schleichen mit dir an der hand. du stehst zu mir, wenn andere mir schlechtes<br />
wollen, mein guter freund, mein einziges stück, was ich besitze. ich fühle mich<br />
hintergangen.<br />
mann, jemand hat es anscheinend geschafft. keiner sonst hat es gewagt. ich<br />
drängelte in cairo mit gepäck beladen durch volle stadtbusse, unausgeschlafen<br />
& unerfahren, ich lief durch kingston downtown bei strömendem regen, wo mir<br />
mein namensvetter michael eine geschichte über einen geliebten vogel in einwand-<br />
freiem reggae-rap sang. ich trödelte nachts um 3 besoffen durch nyc die houston<br />
entlang & niemand versuchte, mich anzunagen, außer einer fetten, dicken kanal-<br />
ratte, & ich trampte mit 700 gottverdammten, us-americanischen essensmarken<br />
in der hosentasche meiner shorts über die spätsozialistische caribicinsel, deren<br />
frühkapitalistische einwohner sich für die handvoll scheine mindestens ein halbes<br />
jahr lang ein sorgenfreies, knappes leben hätten leisten können, aber nie hat auch