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2 IM DOMINO-VERKEHR 22<br />
die gegend. den boden, auf dem wir laufen, sehen wir keinen schritt weit unter<br />
dem neumond. ein einzelnes auto hat sich in die 68te straße verirrt. wir hören den<br />
hellen motor 10 blocks weiter vor uns & werden vom giftig gelben scheinwerferlicht<br />
geblendet. wir müssen stehenbleiben & küssen uns auf die lippen, drücken uns<br />
fest aneinander, unter dem schwarzen, caribischen h<strong>im</strong>mel mit seinen unzähligen,<br />
funkelnden sternen. in la isabella an der nordküste oberhalb von saga la grande<br />
war der h<strong>im</strong>mel so voll mit hellen punkten, daß ich selbst das bild des orion<br />
nicht mehr fand, wissend, daß er da oben wache hielt. maina küßt mich zum<br />
bus, & wie durch ein wunder, entgegen der domino-natur des transports in cuba,<br />
erreichen wir die haltestelle gerade in dem augenblick, als die menschenschlange<br />
in die guagua eingestiegen ist & der bus losfahren will, & wir laufen die letzten<br />
schritte dem fahrenden ungetüm entgegen. der fahrer hält für uns an & läßt uns<br />
zusteigen.<br />
nachts um 11 uhr an der 15ten ecke 70te, etwa 2 stunden fußmarsch von cen-<br />
tro habana entfernt, eine guagua der linie 7 zu kriegen, die nicht voll ist, wobei<br />
voll die gesetzlich vorgeschriebene anzahl von sitz- & stehplätzen meint, & wenn<br />
3 aussteigen, steigen auch nur 3 ein, um das material zu schonen, sowas wird<br />
streng kontrolliert, staatlich & gegen bezahlung, von einem fahrer, einer ticket-<br />
verkäuferin & einem ticketkontrolleur, <strong>im</strong>mer freundlich, <strong>im</strong>mer höflich, <strong>im</strong>mer<br />
freihändig <strong>im</strong> dienst für den domino-transport – so eine guagua zu erwischen, die<br />
nicht vollbesetzt ist & deren fahrer auch noch anhält, ist genau das glück, das<br />
dazugehört.<br />
maina n<strong>im</strong>mt die hand von meinem bein & zahlt für uns beide. wir fahren<br />
die 31te entlang & steigen an der infante aus, um die concordia bis zur aram-<br />
burgo runterzulaufen. in großen fetzen hängt der putz von den wänden. 500 m<br />
weiter schlägt das meer gegen die mauer der hell erleuchteten promenade & trägt<br />
salzige gischt in das dunkle 4tel. kein licht, kein mensch, kein auto, kein strom,<br />
keine musik, nur vorbeihuschende schatten, zu fuß oder auf dem fahrrad, & von<br />
weiter unten ein tief stampfender, rhythmisch wiederkehrender ton. wir kommen<br />
dem trommeln näher. 2 blocks unterhalb von uns steht eine traube schwarzer<br />
vor einem winzigen licht in einem hauseingang, hinter dem eine schweißnasse ge-<br />
meinde in weißen kleidern <strong>im</strong> takt schnell geschlagener trommeln zu ehren der<br />
außerirdischen tanzt. die außerirdischen wohnen in hüfthohen steinkrügen, mit