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25 DER LETZTE TANGO 160<br />
bin selbst ungewaschen & rede holprig. ich verzeihe dir die umständliche art,<br />
mit der du mich anmachst, denn ich weiß selbst keinen besseren weg, verzeihe<br />
deine unordentliche kleidung, deine schwitzige hand & deinen schlechten atem<br />
morgens früh auf nüchternem magen. ich sehe dir die aufgeregtheit nach, mit der<br />
du fast unser kleines glück vermasselst, weil du in gedanken ganz woanders bist<br />
als hier bei uns beiden, denn ich kenne allzu gut die vielen, kleinen hindernisse,<br />
die unserer geschichte <strong>im</strong> wege stehen, die 1000 hemmnisse & wirrungen, die es<br />
zu überwinden gilt, die verfestigten lebensmuster, die wir wie eine errungenschaft<br />
vor uns hertragen.<br />
aber ich verzeihe dir nicht & ebenso wenig mir selbst, wenn ich, anstatt auf<br />
dich zu hören & deiner st<strong>im</strong>me zu folgen, vor lauter unmöglichkeiten in meinem<br />
kopf nur meinen festen, steinernen wunsch sehe, & ich meinen schmalen, engen,<br />
zackig verwinkelten irrweg nicht verlassen will, um mit dir eine direkte, gerade<br />
abkürzung zu nehmen zu einer süßen, gemeinsamen liebesnacht, in der wir uns<br />
gegenseitig glücklich machen.<br />
nach 3 erfolgreichen wochen <strong>im</strong> familienglück, ohne liebesleben & mit vielen,<br />
kleinen zugeständnissen an die vergangene vergangenheit & die nicht vorhandene<br />
zukunft, buchte ich in buenos aires einen flug nach são paolo. noch 5 kurze tage &<br />
5 lange nächte, & ich werde unter der sonne brasiliens die lebensfreude der klaus-<br />
bunten, gut gemischten leute <strong>im</strong> 5tgrößten land der erde teilen. ich fahre 2 abende<br />
später mit meiner geliebten linie 17 bis in die chacabuco zum centro parakultural<br />
& verpasse gerade meine 4te tanzstunde, mitten unter aufrecht dreinschauenden<br />
porteños.<br />
an der bar bestelle ich eine flasche leckeren, herben, weißen santa anna, den<br />
mir die blonde hinter dem tresen in einen plastikbecher gießt, um den rest <strong>im</strong><br />
kühlschrank aufzubewahren. ich beschwere mich bei ihr über den tango & die<br />
starre art der porteños, über die jahrhunderte alte, verkommene, europäische<br />
vorstellung von liebe, die jedesmal mit conquista beginnt & mit conquista endet,<br />
einem unsinnigen, weil von haus aus ungleichen zweikampf, bei dem der männ-<br />
liche teil alles versucht, um den tapfer verteidigenden, weiblichen teil gegen alle<br />
widerstände zu erobern, bis die genommene festung ein für allemal abgehakt &<br />
gegessen ist, weil die eroberung das ziel war & nicht die liebesnacht, weil es gar<br />
nicht ums ficken ging, sondern darum, ficken zu dürfen, weil eine eroberte festung