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wird, & einer ebenso feinen wie liebevollen abtrocknung mit einem nur für diesen<br />
reinigungsvorgang zu verwendenden stofflappen, folgte die auswahl der grundie-<br />
rung, in meinem fall ein bräunliches braun, die er mit pinsel & verdünner in feiner<br />
handarbeit auftrug. für die neue besohlung malte der bart an meinen absatz einen<br />
schwarzen strich bis an den rand des leders. der milchcaffee war vielleicht eine<br />
spur zu bitter.<br />
der folgende arbeitsgang bestand aus dem 3maligen auftragen gewöhnlicher<br />
schuhcreme, passend zur grundierung, diesmal einen tick brauner & mußte zwin-<br />
gend mit den zeigefingern beider hände bis unter die nähte gerieben werden. ich<br />
begutachtete nochmal meinen milchcaffee & der bart sein unvollendetes werk.<br />
während ich den observadór studierte, ließ er das wachs gehörig einziehen &<br />
begann rechtzeitig eine erste, grobe politur mit hilfe einer festen bürste, deren<br />
borsten vom vielen bürsten ganz braun geworden waren, um die überflüssige<br />
fettcreme an die nur unzureichend geschmierten stellen in der innenseite weiter-<br />
zuleiten & den in verdünner & öl gelösten farbstoff tief ins leder zu massieren,<br />
wodurch es bereits eine vorläufige geschmeidigkeit erhielt. die 2te bürste, etwas<br />
heller in den borsten & weicher <strong>im</strong> strich geführt, folgte der ersten & schwang<br />
sich, mit meisterhand vom bart angeschoben, wie der geölte blitz über mein zum<br />
glänzen gezwungenes schuhwerk. eine 3., sehr feine borstenreibung folgte nach<br />
farbausbesserungsarbeiten an der absatzlederkante, um alles mit unzähligen, sehr<br />
starken strichen eines wollapens zu wienern, daß ich <strong>im</strong> glanz meiner fußtracht<br />
meine alten schuhe kaum wiedererkannte. alles hatte nicht viel mehr als eine zi-<br />
garettenlänge gedauert. ich war stolz & gewappnet für den heutigen abend & den<br />
morgigen 12ten oktober, an dem die heilige jungfrau von zapopan & der gottlose<br />
sohn meiner religiösen mutter ein zusammentreffen haben würden.<br />
die architekten der innenstadt von guadalajara sollten einen preis für städte-<br />
bau erhalten. sie haben neben der großzügigen fußgängerzone um die kathedrale<br />
& der piedro losa, in der händler bis spät in die nacht hinein preisgünstige ange-<br />
bote verhökern, eine wohltat architektonischer art zustandegebracht, deren nach-<br />
ahmung ich allen bauplanern & stadtkämmerern in ihren planungsausschüssen<br />
über alle parteilichen grenzen hinweg unbedingt anempfehlen kann. anstatt den<br />
autos & ihren stinkenden motoren den vorzug & das sonnenlicht zu gönnen, wur-<br />
den sie, wenigstens zwischen der plaza de la liberación & der independencia 5