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25 DER LETZTE TANGO 163<br />
zeit einholen.<br />
ich werde nicht von deiner seite gehen, sondern den rest des abends bei dir<br />
bleiben, bis du genug von mir hast & lieber ohne mich weiterziehst. ich werde<br />
bei dir bleiben, solange du bei mir bleiben willst, werde dir alles verzeihen, was<br />
du mir verzeihst, & falls du wirklich willst, werden wir die nacht gemeinsam in<br />
unseren armen verbringen.<br />
dein tanzpartner fordert dich auf, & du schaust mich fragend an. ich muß dich<br />
freigeben, so daß du mit dem besseren tänzer dein vergnügen hast, während ich<br />
euch bewundernd zuschaue.<br />
später tragen 3 porteños ein paar stücke vor. dein tanzpartner singt einen tan-<br />
go mit blues vermischt zum stampfen seines fußes, & ein junger typ gibt eigene<br />
gedichte zum besten. dann singt eine 70jährige in einem weit fließenden, hellblau-<br />
en, weißgepunkteten kleid, das tief ausgestellt den faltigen brustkorb bedeckt, von<br />
einem taschentuch als zeichen einer verlorenen liebe. sie fährt mit dunkelroten,<br />
brüchigen fingernägeln über die tränenden, schwarzen augen & läßt dabei einen<br />
weißen fetzen zum boden sinken. keiner <strong>im</strong> saal wagt ihn aufzuheben. du sitzt<br />
vor mir auf dem kleinen sofa an der stirnseite des langen saals. ich traue mich<br />
nicht, dich zu küssen. in langen abständen schicke ich meinen atem flüchtig über<br />
den haaransatz in deinem nacken.<br />
“laß uns woanders hingehn, ich habe hunger. gehn wir was essen, irgendwo<br />
hin.“ du willigst ein, & wir schultern unsere beiden taschen, tauschen sie aus, so<br />
daß ich deine trage, die viel schwerer ist. wir nehmen ein taxi bis zur corrientes<br />
ecke callao, um den rest zum pippo zu laufen.<br />
wir setzen uns an einen tisch am fenster & warten, bis uns der kellner die karte<br />
bringt, & bestellen einen salat mit viel zwiebeln & einen 4tel roten & beginnen<br />
unsere kleine, süße brotzeit nachts um 3 uhr, der besten zeit für buenos aires.<br />
als du mich mit flinken augen musterst & schnell um dich schaust, von deinen<br />
beiden kindern erzählst & deinem mann, der den contrabaß <strong>im</strong> stadtorchester<br />
streicht, & mich fragst, was mich hier hält & was ich vorhabe, n<strong>im</strong>mt eine deiner<br />
zärtlichen hände unwillkürlich meinen arm & streicht für eine kurze, unendlich<br />
lange sekunde über meine haut. ich werde ruhig & sicher, lege die anfängliche<br />
aufregung ab & ahne mit einem mal, daß du mich nicht verletzen wirst. du wohnst<br />
weit draußen vor der stadt. ich biete dir an, die nacht bei mir in der wohnung