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17 TANGO 115<br />
zu üben, bis schließlich die weichheit, der stolz, die trauer, die unnahbarkeit &<br />
das einfühlungsvermögen, bis die handhaltung, die gewichtsverlagerung, die ein-<br />
teilung des raums & der zeit zusammen einen tanz für 2 menschen bilden, die<br />
sich wie an einem seidenen faden geführt & scheinbar ohne jede absprache einem<br />
einzigen wesen gleich durch die musik bewegen.<br />
nicht die schönsten & reichsten, sondern die besten & einfühlsamsten me-<br />
longueros sind auf dem parkett die beliebtesten. sie vollendeten ihr können in<br />
unzähligen tangos, um nach vielen rückschlägen & stunden des fleißigen übens<br />
die wachsamkeit & gewandtheit zu entwickeln, die es benötigt, zu einer einheit<br />
aus 2 menschen zu verschmelzen.<br />
ich bestelle an der bar eine flasche herben, argentinischen weißwein & schenke<br />
uns ein. der gut gekühlte santa anne aus mendoza lockert mein staunen ein wenig<br />
auf & ich wage mit patricia einen tango. beide lachen wir laut, als wir uns auf<br />
die zählweise der schrittfolge nicht einigen können & wie betrunkene aneinander<br />
stoßen. patricia bietet meinem rechtwinklig abgespreizten arm, in den sie ihre<br />
schulter legen sollte, keinen widerhalt, & wir entwickeln nicht die hauchdünne<br />
tuchfühlung, die den tangeros ermöglicht, ineinander zu versinken.<br />
leonora, etwas erfahrener auf dem parkett, schaut mich ernst an, als ich sie<br />
auffordere. sie drückt ihre rechte hand gegen meine linke & lehnt ihren oberkörper<br />
in meine armbeuge. wir wiegen 3 takte zusammen, & ich lege mit der bekannten<br />
schrittfolge los, damit beschäftigt, keinen der 8 schritte auszulassen. leonora, die<br />
am näxten tag früh zur arbeit muß, verläßt uns beide, & patricia zieht es mit<br />
mir zusammen ins pippo, wo wir uns um 2 uhr morgens zwischen portensischen<br />
nachtschwärmern mit nudeln vollstopfen. am nebentisch des neonerleuchteten,<br />
hellblau gestrichenen raumes hat ein dürrer vollbart ein unterarmgroßes stück<br />
rindfleisch auf dem teller, um es in aller ruhe mit dem messer in kleine, mund-<br />
gerechte stücke zu schneiden & aufzuessen. ein taxi bringt mich über die callao<br />
& die quintana bis in die recoleta, an den kleinen friedhof gegenüber der caffees<br />
la biela & de la paix. mein bruder hat <strong>im</strong> 8ten stock der ortiz eine großräumige<br />
wohnung angemietet.