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Spucke im Mund

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21 DICHTUNG 136<br />

nung in einer menge von leuten, die in der lage sind, meinen letzten anstand zu<br />

zerstören, als daß ich brav zu hause in erfundenen, nie passierten geschichten an-<br />

derer leute mein kleines, blödes mütchen kühle. bleibt mir also weg mit literatur,<br />

mit arztromanen oder intellektuellen novellen von hohem literarischen wert, die<br />

rein erfunden & deshalb nie passiert sind & nix darstellen, als den verzweifelten<br />

wunsch des verfassers, mal gelebt zu haben.<br />

was ich hier erzähle, ist nix als die wahrheit, die reine, ungeschminkte wahr-<br />

heit, & ich schreibe sie nicht auf, um eine beknackte runde abgehalfterter heft-<br />

chenleser be<strong>im</strong> hirnwichsen anzutörnen, sondern lediglich, um das bißchen echte<br />

wahrheit, das sich täglich in den städten der runden, sich drehenden erde zuträgt,<br />

ein für allemal festzuhalten, um die geschichten aus ihrem bekackten, hoffnung-<br />

frohen kreislauf des vielleicht-doch-mal & das-näxte-mal-aber-best<strong>im</strong>mt heraus<br />

zu holen & zu zeigen, daß ein einziges, sowieso zu kurzes menschenleben allemal<br />

ausreicht, um mehr als einmal glücklich zu werden, um mehr als nur <strong>im</strong> traum<br />

gelebt zu haben, daß ein halbes jahr bereits langt, selbst ein halber tag schon<br />

langt, um eine gute geschichte nicht zu erfinden, sondern sie selbst & eigenhändig<br />

zu erleben, so wie ich all die hier aufgeschriebenen begebenheiten glücklicherweise<br />

nicht erfinden mußte, sondern durch eigene arbeit, so wie sie alle, oder fast alle<br />

menschen verrichten, erlebt habe.<br />

dabei kann es schon mal passieren, daß alte gewohnheiten oder liebgewonne-<br />

ne gegenstände auf der strecke bleiben. es kommt schon vor, daß der bus nicht<br />

pünktlich an der haltestelle erscheint & ich eine unbest<strong>im</strong>mte zeit zu warten ver-<br />

dammt bin, mich mit irgendwelchen wildfremden menschen über völlig idiotische<br />

themen, wie etwa das wetter, zu unterhalten. es darf schon mal passieren, daß der<br />

lauf der welt meine pläne durchkreuzt, daß ich sie komplett über bord schmeißen<br />

muß & mich in diesem einen augenblick meines sowieso zu kurzen lebens, ohne<br />

mit der nötigen information ausgestattet, völlig blind für eine der vielen möglich-<br />

keiten entscheide, die das sowieso zu kurze leben in jeder seiner unzähligen, <strong>im</strong><br />

durchschnitt 2einhalb milliarden sekunden dauernden zeitspanne zur verfügung<br />

stellt.<br />

es kann durchaus vorkommen, daß nicht jede der sekündlichen entscheidungen<br />

<strong>im</strong>mer die richtige ist. falls du also lieber zu hause in der vorgefertigten spur<br />

dein sowieso zu kurzes leben als arbeitstier, als fürsorgliche mutter, als braver,

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