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Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...

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a.) Rechtzeitige bzw. vorherige Anhörung<br />

Vielfach wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur vorgetragen, daß rechtzeitiges Anhören <strong>der</strong> Betroffenen<br />

vor <strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gung durch den Richter e<strong>in</strong>e gewaltfreie Atmosphäre<br />

schaffe <strong>und</strong> unnötige Unterbr<strong>in</strong>gungen vermeide (letztere enthalten m.E. e<strong>in</strong> großes<br />

<strong>Gewalt</strong>potential, da hier naturgemäß das E<strong>in</strong>sehen ger<strong>in</strong>g ist). Ich kann dies<br />

aus eigener Anschauung teilweise bejahen. So habe ich es erlebt, daß e<strong>in</strong> junger<br />

Mann, <strong>der</strong> an e<strong>in</strong>er drogen<strong>in</strong>duzierten Psychose litt, nach <strong>der</strong> Anhörung <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Wohnung mit mir <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Taxi stieg <strong>und</strong> zur Kl<strong>in</strong>ik fuhr. Dort blieb er 6<br />

Wochen freiwillig <strong>in</strong> Behandlung. In e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Fall begleitete e<strong>in</strong>e zwangsweise<br />

im Gericht vorgeführte Betroffene nach <strong>der</strong> Anhörung die wartenden Krankenwagenfahrer<br />

<strong>und</strong> fuhr mit <strong>in</strong> die Kl<strong>in</strong>ik.<br />

Hier wird <strong>der</strong> Richter faktisch als Vermittler o<strong>der</strong> unabhängiger Entscheidungsträger<br />

verstanden <strong>und</strong> akzeptiert. Umgekehrt habe ich allerd<strong>in</strong>gs ebenso erlebt,<br />

daß vorherige Anhörungen Konfliktsituationen erst schufen bzw. verstärkten. So<br />

hatte sich e<strong>in</strong> Betroffener den Anhörungsgr<strong>und</strong> zunächst an <strong>der</strong> halb geöffneten<br />

Wohnungstür angehört, die Tür dann zugeschlagen <strong>und</strong> mußte gewaltsam aus<br />

se<strong>in</strong>er Wohnung geholt werden.<br />

b.) H<strong>in</strong>zuziehung Dritter<br />

aa.) Verfahrenspfleger<br />

Dieser ist nach § 70 b FGG im Unterbr<strong>in</strong>gungsverfahren zu bestellen, wenn dies<br />

zur Wahrung <strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> Betroffenen erfor<strong>der</strong>lich ist. Ich habe es <strong>in</strong>des<br />

nie erlebt, daß e<strong>in</strong> Verfahrenspfleger bei <strong>der</strong> Zuführung anwesend war. Ebensowenig<br />

gab es Anregungen o<strong>der</strong> Kritik zur Frage <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>ermächtigung. Dies<br />

mag damit zusammenhängen, daß die Verfahrenspfleger ihre Aufgabe weniger<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Kontrolle <strong>der</strong> Zuführung als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Überwachung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> formellen<br />

<strong>und</strong> materiellen Unterbr<strong>in</strong>gungsvorausetzungen sehen.<br />

bb.) Beteiligung <strong>der</strong> <strong>in</strong> § 70 d FGG genannten Personen<br />

Nach dieser Vorschrift kann das Gericht vor <strong>der</strong> Entscheidung bestimmten nahestehenden<br />

Personen (Ehegatte, K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Elternteile, die mit den Betroffenen<br />

zusammen wohnen, E<strong>in</strong>richtungsleiter) Gelegenheit zur Äußerung geben. Dies<br />

kann dadurch geschehen, daß sie zur Anhörung h<strong>in</strong>zu gebeten werden. Hier gilt<br />

ähnliches wie oben. Teilweise können diese Personen Eskalationen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

bzw. beruhigend wirken. Es kann aber auch umgekehrte Folgen zeitigen, wenn<br />

sie z.B. Initiator des Unterbr<strong>in</strong>gungsantrages s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> <strong>in</strong> das Wahnsystem e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en<br />

wurden.<br />

3.) Anwendung des § 70 g V FGG<br />

Letztlich bliebe die Möglichkeit, von <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>ermächtigung des § 70 g V FGG<br />

ke<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> zurückhaltenden Gebrauch zu machen. Dies wäre denkbar, da über<br />

die <strong>Gewalt</strong>ermächtigung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em selbstständigen Verfahren zu entscheiden ist.<br />

Die Praxis geht dah<strong>in</strong>, auf Antrag ohne größere Überprüfungen die Ermächti-<br />

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