Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...
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sche“ Frage wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Wutausbruch zu provozieren, mit Vorwürfen, Be<br />
schuldigungen, Mord- <strong>und</strong> Selbstmorddrohungen, aber auch körperlicher<br />
Ge walt...<br />
Zuviel Nähe<br />
Wenn Aggressionen sich zuhause entladen, wenn sich das gegen mich richtet –<br />
b<strong>in</strong> ich dann schuld? Muß ich das ertragen, entschuldigen, verzeihen, weil <strong>der</strong><br />
Kranke so verletzlich ist? Soll ich das nicht besser verheimlichen?<br />
Wenn das zuhause passiert – kann es dann nicht überall passieren? Muß ich<br />
das nicht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n? Wie kann ich das verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n? B<strong>in</strong> ich schuld, wenn an<strong>der</strong>e<br />
zu Schaden kommen?<br />
Aus me<strong>in</strong>en Erfahrungen <strong>und</strong> Beobachtungen ziehe ich den Schluß: <strong>Psychisch</strong>e<br />
Erkrankungen gehen immer mit Konflikten zwischen Nähe- <strong>und</strong> Distanzbedürfnis<br />
e<strong>in</strong>her, dem Verlangen nach absoluter Autonomie <strong>und</strong> Symbiose. Es liegt also <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Natur <strong>der</strong> Sache, daß vor allem die nächsten Angehörigen, die engsten Bezugspersonen<br />
<strong>in</strong>volviert s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> <strong>in</strong>volviert werden. Erst recht, wenn sie – oft genug notgedrungen<br />
– mit den Erkrankten zusammenleben, womöglich noch räumlich beengt...<br />
Dafür e<strong>in</strong>, wie ich f<strong>in</strong>de, e<strong>in</strong>drucksvolles Beispiel: E<strong>in</strong> junges Paar hat sich im Wohnheim<br />
für psychisch Kranke kennen- <strong>und</strong> lieben gelernt. Nun möchten die beiden<br />
geme<strong>in</strong>sam <strong>in</strong>s Betreute Wohnen überwechseln. Sie fühlen sich mittlerweile stabil<br />
genug für mehr Eigenständigkeit <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Leben zu zweit. Auch die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
<strong>und</strong> Mitarbeiter im Wohnheim sehen das so. Niemand meldet Bedenken an.<br />
Mit Unterstützung <strong>der</strong> Eltern <strong>und</strong> <strong>der</strong> professionellen Helfer wird e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e gemütliche<br />
Wohnung gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> bezogen. Hier fühlen sich die beiden – zunächst<br />
– sehr wohl. Doch das Glück währt nicht lange. Schon bald fliegen die Fetzen. Das<br />
Zusammenleben wird unerträglich. Weil die beiden sich eigentlich mögen <strong>und</strong> gut<br />
verstehen, wollen sie ihre Beziehung unbed<strong>in</strong>gt retten. Deshalb beschließen sie,<br />
so schnell wie möglich wie<strong>der</strong> ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zuziehen: <strong>in</strong> getrennte Wohnungen,<br />
möglichst <strong>in</strong> verschiedenen Häusern, am besten auch nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen Straße.<br />
Von Herzen verb<strong>und</strong>en – aber mit genügend Abstand.<br />
Room<strong>in</strong>g out statt room<strong>in</strong>g <strong>in</strong> heißt hier die Devise!<br />
Und die hat sich schon <strong>in</strong> vielen Fällen bewährt – allerd<strong>in</strong>gs oft ohne Unterstützung<br />
professioneller Helfer<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> Helfer <strong>und</strong> erst nach langen Leidenszeiten,<br />
<strong>in</strong> denen nicht wenige Angehörige schon an Selbstmord gedacht o<strong>der</strong> ihn<br />
als letzten Ausweg aus ihr Verzweiflung gewählt haben.<br />
Alptraum <strong>Zwang</strong>se<strong>in</strong>weisung<br />
Allzu oft braucht es für e<strong>in</strong> entzerrendes room<strong>in</strong>g out erst e<strong>in</strong>mal die spektakuläre<br />
Krise als Türöffner für die Kl<strong>in</strong>ik. Was aber noch lange nicht heißt, daß die<br />
Patient<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Patienten <strong>und</strong> ihre Angehörigen dann „zwangsläufig“ auch