Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...
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1991). Die Frage <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>anwendung wird somit zu e<strong>in</strong>er Frage <strong>der</strong> Abwägung<br />
zwischen verschiedenen möglichen Handlungsfolgen. Dort, wo es um<br />
schwerwiegende Folgen geht <strong>und</strong> wo die Abwägung zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>deutigen Ergebnis<br />
kommt, kann es e<strong>in</strong> „Recht auf <strong>Zwang</strong>“ geben (FINZEN 1986). So halte<br />
ich es für me<strong>in</strong>e une<strong>in</strong>geschränkte Pflicht, e<strong>in</strong>en psychisch Kranken daran zu<br />
h<strong>in</strong><strong>der</strong>n, sich selbst zu töten, auch mit <strong>Gewalt</strong>. Denn die Folge me<strong>in</strong>es Nicht-<br />
Handelns wäre nicht wie<strong>der</strong> gutzumachen.<br />
7. <strong>Gewalt</strong>sames Handeln <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit mit psychisch kranken Menschen<br />
steht immer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em raum-zeitlichen <strong>und</strong> sozialen Kontext.<br />
Der Kontext ist stets mitzudenken, wenn es um die Entstehung <strong>und</strong> Vermeidung<br />
von <strong>Gewalt</strong> geht. Dazu gehören unter an<strong>der</strong>em:<br />
– Die „Kultur“, das „Klima“ o<strong>der</strong> „Makro-Milieu“ <strong>der</strong> jeweiligen Institution: ZEI-<br />
LER (1993) vertritt die These, daß sowohl die „überstrukturierten Milieus“<br />
<strong>der</strong> traditionellen Verwahrpsychiatrie als auch die „unterstrukturierten“ Milieus<br />
mancher psychiatrischer Reforme<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> die gleiche Richtung<br />
wirken: sie för<strong>der</strong>n gewalttätiges Verhalten auf Seiten <strong>der</strong> Patient<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />
Patienten <strong>und</strong> damit Gegengewalt – wenn auch auf unterschiedliche Weise.<br />
– Das therapeutische „Mikro-Milieu“ vor Ort, im Team, auf <strong>der</strong> Station: ZEILER<br />
(1993) referiert Merkmale von „friedlichen“ <strong>und</strong> solche von „gewalttätigen”<br />
Stationen <strong>und</strong> stellt fest: “Die Eigenheiten <strong>der</strong> gewalttätigen Stationen er<strong>in</strong>nern<br />
an jene pathologischen Milieue<strong>in</strong>flüsse, die CIOMPI als gefahrvoll für<br />
Schizophrene herausgestellt hat: ‘Überstimulation’, Unruhe, Unübersichtlichkeit<br />
(<strong>der</strong> Räumlichkeiten, <strong>der</strong> Rollen, <strong>der</strong> Funktionen), Anonymität, ständiger<br />
Wechsel <strong>der</strong> nächsten Bezugspersonen, Diskont<strong>in</strong>uität, Unberechenbarkeit,<br />
Entwertung, Gleichgültigkeit, Kälte. Milieueigenschaften, welche den Kranken<br />
... <strong>in</strong> Angst, Spannung <strong>und</strong> Verwirrung versetzen, begünstigen offenk<strong>und</strong>ig<br />
auch aggressive Entäußerungen” (ebd., S. 131).<br />
– Anzahl <strong>und</strong> Qualifikation <strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitarbeiter: REIMER &<br />
STARZ (1989) fanden beispielsweise auf e<strong>in</strong>er Akutstation e<strong>in</strong>e Zunahme<br />
von Fixierungen mit abnehmen<strong>der</strong> Personaldichte. Unerfahrene Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
<strong>und</strong> Mitarbeiter lösen eher aggressives Patientenverhalten aus als<br />
erfahrene (ZEILER 1994).<br />
– Individuelle Dispositionen, Haltungen <strong>und</strong> Bewältigungsmuster: Es gibt offenbar<br />
Menschen, die gewaltbereiter s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> eher <strong>Gewalt</strong> auslösen als an<strong>der</strong>e.<br />
ZEILER (1994) referiert als mitarbeiterbezogene Risikofaktoren aggressiven<br />
Patientenverhaltens: männliches Geschlecht, autoritäres Verhalten; for<strong>der</strong>n<strong>der</strong>,<br />
abweisen<strong>der</strong>, strafen<strong>der</strong> Umgangsstil.<br />
– Räumliche <strong>und</strong> materielle Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen: Enge, Lärm <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Formen<br />
sensorischer Überreizung steigern das Erregungsniveau von Menschen<br />
<strong>in</strong> psychischen Ausnahmezuständen <strong>und</strong> damit ihre Aggressionsneigung.<br />
E<strong>in</strong>e sorgfältige Analyse des Kontextes hilft dabei, Möglichkeiten (<strong>und</strong> Grenzen)<br />
<strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>reduzierung zu erkennen.<br />
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