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Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...

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hen durfte, attackierte er den anwesenden Arzt, um wie<strong>der</strong> fixiert zu werden.<br />

Und das, obwohl er sich die Ellbogen so w<strong>und</strong>gescheuert hatte, daß operiert<br />

werden mußte.<br />

Se<strong>in</strong>e Mutter, <strong>in</strong>zwischen siebzig, hat sich im Laufe <strong>der</strong> letzten Jahre allmählich<br />

zu dem Entschluß durchgerungen, den Sohn nicht wie<strong>der</strong> aufzunehmen. Unterstützt<br />

<strong>und</strong> begleitet hat sie bei diesem schwierigen, schmerzvollen Ablösungsprozeß<br />

die Selbsthilfegruppe. Die Profis <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik haben das nicht geför<strong>der</strong>t,<br />

eher beargwöhnt, beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t <strong>und</strong> auch immer wie<strong>der</strong> torpediert – so daß auch<br />

die Mutter immer wie<strong>der</strong> „rückfälllig“ wurde, wenn <strong>der</strong> moralische Druck übermächtig<br />

wurde, weil Alternativen nicht angeboten o<strong>der</strong> vom Sohn nicht akzeptiert<br />

wurden.<br />

<strong>Gewalt</strong> als Hilfeschrei<br />

Mittlerweile hat aber auch <strong>der</strong> Sohn selber Angst, gegen die Mutter aggressiv zu<br />

werden – obwohl er sie bis jetzt erst e<strong>in</strong>mal körperlich angegriffen hat. Bis dah<strong>in</strong><br />

war es ihm gelungen, sich „nur“ an <strong>der</strong> Wohnungse<strong>in</strong>richtung zu vergreifen. Mich<br />

erschüttert die unerhörte Symbolkraft dieses 12mal vergeblichen Kraftaktes. Mich<br />

erschreckt, daß offenbar ke<strong>in</strong> professioneller Helfer diese gewaltigen Hilfeschreie<br />

wahrzunehmen imstande war <strong>und</strong> ist. Daß <strong>der</strong> Patient – mit all se<strong>in</strong>er explosiven<br />

Ambivalenz – immer wie<strong>der</strong> ungerührt zurückgeschickt wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unverän<strong>der</strong>te<br />

Lebenssituation, wenn auch neu möbliert! Gerade erst ist dieser Patient<br />

mal wie<strong>der</strong> ausgerastet <strong>und</strong> hat – bei e<strong>in</strong>em Familiengespräch auf <strong>der</strong> Station –<br />

e<strong>in</strong>en Tisch zertrümmert. Trotzdem soll er von <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik aus „zum E<strong>in</strong>gewöhnen“<br />

wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> mütterlichen Wohnung übernachten. Ohne Rücksicht auf Verluste.<br />

Ohne Rücksicht darauf, daß die Mutter die immer wie<strong>der</strong> erzwungene<br />

Wohngeme<strong>in</strong>schaft aufgekündigt hat.<br />

Was muß denn noch alles passieren, bis etwas passiert? So fragen verzweifelnde<br />

Angehörige immer wie<strong>der</strong>.<br />

Ich fürchte, solange man sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik mit <strong>der</strong> medikamentösen Unterdrükkung<br />

von Symptomen zufrieden gibt, solange im psychiatrischen Alltag das<br />

empathische Gespräch, <strong>der</strong> respektvolle Umgang mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> nicht selbstverständlich<br />

geworden s<strong>in</strong>d, solange wird noch viel passieren müssen.<br />

Ich hoffe, daß die geme<strong>in</strong>samen Versuche <strong>der</strong> Annäherung, wie sie unter dem<br />

Stichwort Trialog <strong>und</strong> als Psychose-Sem<strong>in</strong>ar o<strong>der</strong> -Forum vielerorts begonnen<br />

haben, durch diesen Kongreß auch <strong>in</strong> die Kl<strong>in</strong>ik getragen werden – <strong>und</strong> an Schubkraft<br />

gew<strong>in</strong>nen.<br />

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