Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...
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<strong>Psychiatrie</strong> Ost<br />
– Zwischen Fürsorge <strong>und</strong> Bevorm<strong>und</strong>ung früher,<br />
auf dem Weg zum demokratischen Selbstverständnis heute<br />
Bernhard Riecke, Angelika Waldmann<br />
Das Thema Ostpsychiatrie ist <strong>in</strong> den letzten Jahren viel besprochen, viel beschrieben,<br />
aber wenig beachtet worden.<br />
Gibt es sie überhaupt, die Ostpsychiatrie? Wie Waren aus dem Osten, die <strong>in</strong><br />
den Verkaufsregalen <strong>der</strong> Supermärkte ganz unten mit dem hoffnungsvollen Vermerk<br />
„aus den neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n“ angeboten werden <strong>und</strong> die – wenn überhaupt<br />
– nur argwöhnisch Beachtung f<strong>in</strong>den?<br />
Es muß sie geben, die Ostpsychiatrie, denn die Medien haben umfangreich berichtet,<br />
über Waldheim <strong>und</strong> öffentlich-rechtlich über „die Hölle von Ueckermünde – <strong>Psychiatrie</strong><br />
des Ostens“. E<strong>in</strong> ARD-Beitrag, <strong>der</strong> Mißstände <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Abteilung für geistig<br />
Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te mit <strong>der</strong> gesamten <strong>Psychiatrie</strong> <strong>der</strong> ehemaligen DDR gleichsetzte.<br />
Wir wollen hier aber ke<strong>in</strong>en Vortrag halten, <strong>der</strong> die Vergangenheit verklärt, son<strong>der</strong>n<br />
außer über das Tagungsthema <strong>Zwang</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> über Reformbemühungen<br />
berichten, die für die <strong>Psychiatrie</strong> wichtig waren <strong>und</strong> weiter s<strong>in</strong>d.<br />
Lassen Sie uns aber nicht den Anspruch auf chronologische Vollständigkeit erheben,<br />
son<strong>der</strong>n streiflichtartig e<strong>in</strong> paar Akzente setzen <strong>und</strong> zwischen dem Heute<br />
<strong>und</strong> Früher h<strong>in</strong>- <strong>und</strong> herpendeln.<br />
E<strong>in</strong> Beispiel: Kurz nach <strong>der</strong> Wende wird e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Gruppe westdeutscher<br />
Psychiater durch e<strong>in</strong>e psychiatrische Abteilung im Osten geführt. E<strong>in</strong>e Patient<strong>in</strong><br />
spricht den vorausgehenden ansässigen Kollegen an, ob sie <strong>in</strong> die Stadt dürfe.<br />
Er antwortet: „Ne<strong>in</strong>, heute nicht“; die Patient<strong>in</strong>: „Vielen Dank, Herr Oberarzt“ <strong>und</strong><br />
entfernt sich wie<strong>der</strong>. Die westlichen Kollegen verw<strong>und</strong>ern sich, daß e<strong>in</strong>e Absage<br />
ohne Begründung sogar noch mit e<strong>in</strong>em Dankeschön beantwortet wird. Bei ihnen<br />
wäre das Gespräch mit Sicherheit an<strong>der</strong>s verlaufen. Dieses Beispiel könnte<br />
heute noch <strong>in</strong> östlichen Krankenhäusern passieren.<br />
Es ist unbestritten, daß im Osten Deutschlands noch e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Menschenbild<br />
existiert, das patienten- <strong>und</strong> therapeutenseitig das Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> erleichtert, wenn<br />
es um organisatorische Angelegenheiten, therapeutisches Proce<strong>der</strong>e beson<strong>der</strong>s<br />
mit Reglementierungscharakter geht, das den Aufwand aber vermehrt, wenn<br />
die hohe Erwartungshaltung des Bedürftigen an die karitative Seite des Betreuers<br />
o<strong>der</strong> Therapeuten appelliert.<br />
So erklären sich die niedrigen <strong>Zwang</strong>se<strong>in</strong>weisungsraten von 2-5% <strong>in</strong> den neuen<br />
Län<strong>der</strong>n auch heute noch, 7 Jahre nach <strong>der</strong> Wende, gegenüber von regional<br />
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