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Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...

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Was will man mit dieser Dokumentation erreichen? In erster L<strong>in</strong>ie Rechtssicherheit,<br />

<strong>und</strong> zwar sowohl für die betroffenen Patient<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Patienten als auch<br />

für die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitarbeiter. Sowohl Teile <strong>der</strong> Öffentlichkeit als auch<br />

wir selbst haben noch das Bild e<strong>in</strong>er <strong>Psychiatrie</strong> vor Augen, <strong>in</strong> dem <strong>Zwang</strong>smaßnahmen<br />

nach Belieben <strong>und</strong> möglicherweise willkürlich von gerade diensthabendem<br />

Pflegepersonal <strong>in</strong> manchmal fast sadistisch ersche<strong>in</strong>en<strong>der</strong> Weise verhängt<br />

werden. Standardwerke wie GOFFMANS „Asyle“ (1972) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Alltag <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Anstalt“ von FENGLER u. FENGLER (1994) berichten darüber ebenso wie populäre<br />

Spielfilme im Stil von „E<strong>in</strong>er flog über’s Kuckucksnest“. Daß die Häufigkeit<br />

von <strong>Zwang</strong>smaßnahmen tatsächlich wesentlich von <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stellung des diensttuenden<br />

Personal abhängt, ist im übrigen nicht nur üble Nachrede gegen die<br />

<strong>Psychiatrie</strong>, son<strong>der</strong>n wurde auch <strong>in</strong> empirischen Studien <strong>in</strong> den USA wie<strong>der</strong>holt<br />

nachgewiesen (SOLOFF et al. 1985, FISHER 1994).<br />

Vorteile e<strong>in</strong>er Dokumentation<br />

E<strong>in</strong>e festgelegte Dokumentation von <strong>Zwang</strong>smaßnahmen soll also sicherstellen,<br />

daß es e<strong>in</strong>en berechtigten Gr<strong>und</strong> – im juristischen S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>en rechtfertigenden<br />

Notstand – für die <strong>Zwang</strong>smaßnahme gegeben hat <strong>und</strong> daß dieser Gr<strong>und</strong><br />

im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> festgestellt werden kann. Weiter sollte überprüfbar se<strong>in</strong>, wie lange<br />

die Maßnahme gedauert hat <strong>und</strong> wer dafür verantwortlich ist. Dies ist, was<br />

die Anordnung (nicht die korrekte Durchführung) betrifft, gr<strong>und</strong>sätzlich e<strong>in</strong> Arzt.<br />

Das ist auch gut so, weil <strong>Zwang</strong>smaßnahmen damit def<strong>in</strong>itiv <strong>in</strong> den ärztlichtherapeutischen<br />

Verantwortungsbereich <strong>in</strong>tegriert werden <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bereich „<strong>Gewalt</strong>“<br />

nicht vom sonstigen ärztlichen Handeln abgespalten werden kann. Schließlich<br />

kann <strong>und</strong> soll e<strong>in</strong>e solche Dokumentation bewirken, daß arbeitsökonomische<br />

Überlegungen <strong>in</strong> Gang gesetzt werden: Ist es wirklich erfor<strong>der</strong>lich, e<strong>in</strong>e<br />

<strong>Zwang</strong>smaßnahme durchzuführen <strong>und</strong> danach e<strong>in</strong>e aufwendige <strong>und</strong> zeitraubende<br />

Dokumentation auszufüllen? O<strong>der</strong> ist es möglicherweise e<strong>in</strong>fach „bequemer“,<br />

noch e<strong>in</strong>mal Wege mit dem Patienten zu suchen, die die Maßnahme vermeiden<br />

helfen? Es wurde schon wie<strong>der</strong>holt berichtet, daß alle<strong>in</strong> die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es<br />

aufwendigen Pflegestandards für Fixierungen zu e<strong>in</strong>em erheblichen Rückgang<br />

von <strong>der</strong>en Häufigkeit führte (Pitzner, Pflegedirektor ZfP Reichenau, persönliche<br />

Mitteilung).<br />

Unter diesen Überlegungen lassen sich auch klare Aussagen zur Qualität von<br />

Dokumentationsformularen für <strong>Zwang</strong>smaßnahmen treffen: Sie sollten die für<br />

Anordnung (Arzt) <strong>und</strong> Durchführung (Pflegepersonal) <strong>der</strong> Maßnahme verantwortlichen<br />

Personen namentlich dokumentieren <strong>und</strong> sollten die Art <strong>der</strong> Maßnahme<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong>en Dauer möglichst genau beschreiben. Insbeson<strong>der</strong>e sollten sie<br />

aber e<strong>in</strong>e genaue Beschreibung des Verhaltens geben, das die <strong>Zwang</strong>smaßnahme<br />

zum Anlaß hatte. Ausgesprochen nicht im S<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Sache s<strong>in</strong>d vorgegebene<br />

Kategorien zum Ankreuzen wie „drohende Fremdgefährdung“ o<strong>der</strong> „Massive<br />

Eigengefährdung“, die e<strong>in</strong>er beliebigen Auslegung wie<strong>der</strong> alle Tore offen<br />

halten.<br />

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