30.11.2012 Aufrufe

Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...

Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...

Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Grußwort des B<strong>und</strong>esm<strong>in</strong>isteriums für Ges<strong>und</strong>heit<br />

Christiane Redel<br />

Wir können nicht über „<strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Zwang</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Psychiatrie</strong>“ sprechen, ohne<br />

darüber nachzudenken, daß <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Zwang</strong> beständige Phänomene <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

menschlichen Geme<strong>in</strong>schaft s<strong>in</strong>d, weiter noch, ohne uns selbst die Frage zu<br />

stellen <strong>und</strong> zu beantworten, wie verhalte ich mich, wie behandle ich den Menschen<br />

mir gegenüber?<br />

Wir werden den gr<strong>und</strong>legenden Streit nicht entscheiden können, ob <strong>der</strong> Mensch<br />

von Natur aus „gut ist“ <strong>und</strong> nur durch die Lebensumstände „böse wird“, o<strong>der</strong> ob,<br />

wie Machiavelli es formulierte, alle Menschen schlecht s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> stets ihren bösen<br />

Neigungen folgen werden, sobald ihnen Gelegenheit dazu geboten wird <strong>und</strong> es<br />

des permanenten <strong>Zwang</strong>s <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kontrolle durch soziale, moralische <strong>und</strong> politische<br />

Institutionen bedarf, um ihn zu bändigen <strong>und</strong> das Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> e<strong>in</strong>igermaßen<br />

zu regeln. Die Frage ist me<strong>in</strong>es Erachtens <strong>in</strong>sofern nicht so bedeutsam, als selbst<br />

dann, wenn es e<strong>in</strong>e biologische Komponente <strong>der</strong> Aggression gibt, es unbestritten<br />

ist, daß die Prägung des Menschen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>es Verhaltens bereits <strong>in</strong> frühestem<br />

Alter durch se<strong>in</strong>e Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ich-Umwelt-Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung bestimmt<br />

wird. Es wird heute nicht mehr bestritten, daß sich die Entwicklung von Verhalten<br />

<strong>und</strong> Verhaltensstörung <strong>in</strong> dem sozialen <strong>und</strong> kulturellen Kontext vollzieht, den die<br />

Gesellschaft bietet. Es ist dieser Sozialisierungsprozeß, <strong>der</strong> sich vorrangig <strong>in</strong> den<br />

Gesellschaftsformen Familie, Schule, Arbeitsplatz, Kirche vollzieht, <strong>der</strong> Moral <strong>und</strong><br />

soziales Verhalten wie Mitgefühl, Verantwortung, Gewissen, Geme<strong>in</strong>s<strong>in</strong>n im e<strong>in</strong>zelnen<br />

Menschen bestimmt <strong>und</strong> verankert.<br />

„Moral, Normen, Werte“, an denen sich e<strong>in</strong>e Gesellschaft ausrichtet, kommen<br />

nicht aus dem Jenseits, an das ke<strong>in</strong>e Frage nach dem „Warum“ gestellt werden<br />

darf <strong>und</strong> dem sich <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne bl<strong>in</strong>d fügen muß. So wie Moral e<strong>in</strong>e gesellschaftliche<br />

Durchschnittsgröße <strong>der</strong> Schnittmenge <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ungen ist, so s<strong>in</strong>d Moral<br />

<strong>und</strong> gesellschaftliche Normen e<strong>in</strong>em ständigen Wandel unterworfen <strong>in</strong> ihrer Anpassung<br />

an verän<strong>der</strong>te Realitäten, <strong>der</strong> <strong>in</strong> Krisen- <strong>und</strong> Umbruchzeiten forciert<br />

wird. E<strong>in</strong> Wandel <strong>der</strong> Werte <strong>und</strong> Moral bietet aber auch die Chance zur Weiterentwicklung.<br />

Es ist durchaus tröstlich, daß die evolutionäre Entwicklung des<br />

Menschen als Interaktion verstanden werden kann, bei <strong>der</strong> die Kultur e<strong>in</strong> Organ<br />

des Lernens ist <strong>und</strong> das Lernen wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong> kulturbildendes Element. Das ist<br />

gut so, denn nicht alle „Werte“ haben sich über die Generationen h<strong>in</strong>weg als<br />

„wertvoll“ herausgestellt. Wir wissen, daß e<strong>in</strong> une<strong>in</strong>geschränktes Autoritätspr<strong>in</strong>zip,<br />

das über se<strong>in</strong>e konformistische Boshaftigkeit Menschen <strong>der</strong> Fähigkeit <strong>und</strong><br />

Möglichkeit beraubt, angstfrei zu denken <strong>und</strong> zu entscheiden, ihn über den Weg<br />

des bl<strong>in</strong>den Gehorsams <strong>und</strong> <strong>der</strong> bl<strong>in</strong>den Fügsamkeit zu e<strong>in</strong>em Instrument für<br />

gesellschaftliche <strong>und</strong> politische Kräfte machen kann, mit dem das „Böse“ <strong>in</strong> Gestalt<br />

<strong>der</strong> gleichgültigen Banalität sozusagen „unschuldig“ ausgeführt wird. Die<br />

14

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!