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Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...

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dungs-, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verlaufsgeschichte von Anstalten zu suchen, daß man<br />

vermehrt Anstalten baute, dafür gab es e<strong>in</strong>leuchtende Gründe; nur entfernte<br />

sich das Anstaltswesen immer weiter vom ursprünglichen Reformanliegen, von<br />

dem Gedanken sozialer Verantwortung auch gegenüber geistig kranken Menschen.“<br />

2 .<br />

Hoffen wir, daß man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Jahrzehnten nicht sagt: „Nur entfernte sich das<br />

geme<strong>in</strong>depsychiatrische Anliegen unter dem E<strong>in</strong>fluß sich überschlagen<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierungsvorgänge<br />

immer weiter vom ursprünglichen Reformimpuls <strong>und</strong> von<br />

den Möglichkeiten, soziale \/erantwortung wahrzunehmen.“<br />

Man sagt, alles, was sich <strong>in</strong> Amerika entwickelt, kommt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Jahren auch<br />

zu uns. Was die feststellbare Steigerung des aggressiven Verhaltens psychisch<br />

kranker Menschen betrifft, sche<strong>in</strong>t dies zutreffend. Die Frage ist, welche Schlüsse<br />

wir daraus ziehen. In e<strong>in</strong>em Aufsatz mit dem Titel „Vom wohltätigen Staat<br />

zum strafenden Staat“ macht <strong>der</strong> französische Soziologe WACQUANT, <strong>der</strong> an<br />

<strong>der</strong> US-University von Kalifornien lehrt, auf die extreme Verarmung aller sozialen<br />

Randgruppen <strong>in</strong> den Staaten e<strong>in</strong>erseits <strong>und</strong> auf den extremen Anstieg von<br />

Häftl<strong>in</strong>gen an<strong>der</strong>erseits aufmerksam. Er schreibt: „Nach e<strong>in</strong>em Rückgang von<br />

12% <strong>in</strong> den 60er Jahren ist die Zahl <strong>der</strong> Häftl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>igten Staaten<br />

buchstäblich explodiert, von knapp 200.000 im Jahre 1970 auf be<strong>in</strong>ahe 825.000<br />

im Jahre 1991 – e<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e demokratische Gesellschaft e<strong>in</strong>zigartiger Anstieg<br />

von über 300% <strong>in</strong> zwanzig Jahren.“ WACQUANT zieht e<strong>in</strong>e Schlußfolgerung, die<br />

mir für den psychiatrischen Bereich bedeutsam ersche<strong>in</strong>t: „Die Expansion des<br />

strafenden Staates <strong>in</strong> den USA ist also ke<strong>in</strong>e Reaktion auf die steigende Krim<strong>in</strong>alität,<br />

son<strong>der</strong>n antwortet auf die sozialen Verwerfungen, die <strong>der</strong> Rückzug des<br />

wohltätigen Staates nach sich gezogen hat. Der Vormarsch des strafenden Staates<br />

schafft sich se<strong>in</strong>e eigene Rechtfertigung <strong>in</strong> dem Maße, wie se<strong>in</strong>e Politik eben<br />

jene Zunahme an Krim<strong>in</strong>alität hervorbr<strong>in</strong>gt, <strong>der</strong> sie doch e<strong>in</strong>en Riegel vorschieben<br />

sollte.“ 11<br />

Daß man es zu unserer Zeit für angemessen, weil angeblich billiger gehalten<br />

hat, ganze Menschengruppen als „Konsumversager“ auszuschließen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zusperren,<br />

„anstatt den Konsumentenstatus dieser Menschen wie<strong>der</strong> herzustellen<br />

durch e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Beschäftigungspolitik <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>er wohlüberlegten<br />

Sozialhilfepolitik“ 1 , diese Kurzsichtigkeit werden unsere Nachkommen nur<br />

mit äußerster Mühe nachvollziehen können.<br />

Ich möchte schließen mit e<strong>in</strong>em Zitat von BRECHT: „Der Fluß wird gewalttätig<br />

genannt. Aber das Flußbett, das ihn e<strong>in</strong>engt, nennt ke<strong>in</strong>er gewalttätig“.<br />

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