30.11.2012 Aufrufe

Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...

Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...

Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Erfahrungen mit <strong>der</strong> offenen Tür<br />

am Psychiatrischen Krankenhaus <strong>in</strong> Marburg<br />

Bernhard Long<strong>in</strong>us<br />

Gegenstand me<strong>in</strong>er Betrachtungen ist die Frage, wie sich die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

für den Umgang mit <strong>Gewalt</strong> dann än<strong>der</strong>n, wenn auf geschlossene Stationstüren<br />

verzichtet wird.<br />

Bevor ich Ihnen jedoch die Ergebnisse e<strong>in</strong>er Untersuchung vorstelle, die ich am<br />

Psychiatrischen Krankenhaus Marburg durchgeführt habe, möchte ich zwei Bemerkungen<br />

zum Tagungsthema vorausschicken, die mir für das Verständnis <strong>der</strong><br />

Ergebnisse me<strong>in</strong>er Untersuchung wichtig ersche<strong>in</strong>en.<br />

In vielen Beiträgen <strong>der</strong> Tagung wurde als erstrebenswert genannt, die Anwendung<br />

von <strong>Gewalt</strong> zu reduzieren. Unstrittig ist dies sicher dann, wenn es sich um<br />

Maßnahmen handelt, die für den Patienten sehr belastend s<strong>in</strong>d, z.B. um mechanische<br />

Fixierungen o<strong>der</strong> <strong>Zwang</strong>smedikation. Problematisch f<strong>in</strong>de ich, was zwischen<br />

den Zeilen mit ankl<strong>in</strong>gt, ohne daß es allerd<strong>in</strong>gs ausdrücklich gesagt würde:<br />

daß nämlich jede Form von <strong>Gewalt</strong>anwendung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Psychiatrie</strong> etwas Negatives<br />

sei. In vielen Fallbeispielen, die genannt wurden ist es deutlich geworden,<br />

allerd<strong>in</strong>gs ohne, daß es ausdrücklich gesagt wurde: es gibt durchaus Fälle,<br />

<strong>in</strong> denen die Anwendung von <strong>Gewalt</strong> ausgeprochen konstruktiv <strong>und</strong> s<strong>in</strong>nvoll ist;<br />

ja, es gibt nicht wenige Fälle, <strong>in</strong> denen die Nicht-Anwendung von <strong>Gewalt</strong> sich<br />

schädlich <strong>und</strong> destruktiv auswirken kann.<br />

Die zweite Bemerkung bezieht sich darauf, was wir unter <strong>Gewalt</strong> verstehen. Zunächst<br />

wird darunter die Anwendung körperlicher <strong>Gewalt</strong> verstanden. Verbale<br />

Formen von Therapie – „Psycho“-Therapie im weitesten S<strong>in</strong>ne – werden, soweit<br />

ich das überblicke, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht als <strong>Gewalt</strong> angesehen. Ich möchte diese<br />

Auffassung ausdrücklich <strong>in</strong> Frage stellen. E<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Menschen zum Objekt<br />

therapeutischer Bemühungen zu machen, stellt e<strong>in</strong>en großen E<strong>in</strong>griff dar, <strong>der</strong> unter<br />

Umständen viel gravieren<strong>der</strong> ist, als ihn mechanisch zu fixieren o<strong>der</strong> mit körperlicher<br />

<strong>Gewalt</strong> am Verlassen <strong>der</strong> Station zu h<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Das heißt natürlich nicht, daß<br />

wir darauf verzichten sollten, <strong>in</strong> dieser Weise auf unsere Patienten e<strong>in</strong>zuwirken.<br />

Als gewaltlos sollten wir es aber nicht e<strong>in</strong>schätzen. 1<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> möchte ich die Verän<strong>der</strong>ungen im psychiatrischen Krankenhaus<br />

Marburg beschreiben <strong>und</strong> diskutieren.<br />

1 Diese These wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitsgruppe sehr lebhaft <strong>und</strong> kontrovers diskutiert. Die Position<br />

<strong>der</strong> meisten Diskutanten war, daß man sehr wohl überlegen müsse, was man mit<br />

e<strong>in</strong>em Patienten macht („ihm antut“), den man therapeutischen Akten aussetzt. Als „<strong>Gewalt</strong>“<br />

wollte man (psycho)therapeutische Handlungen auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite aber nicht<br />

e<strong>in</strong>stufen.<br />

181

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!