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Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...

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menschlicher Angelegenheiten die Vorrangstellung des „guten“ Zwecks - hier<br />

<strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>abwendung, im Handlungsvollzug verliert (Macht u. <strong>Gewalt</strong>, S. 8). So<br />

muß „legitime <strong>Gewalt</strong>“ stets als rechtssetzend o<strong>der</strong> rechtserhaltend aufgewiesen<br />

werden. Und im empf<strong>in</strong>dlichsten Bereich menschlichen Tuns <strong>und</strong> Antuns,<br />

<strong>der</strong> <strong>Psychiatrie</strong>, besteht stets <strong>und</strong> unausweichlich die Gefahr, daß sich ordnungserhaltende<br />

Macht <strong>in</strong> bestimmende <strong>Gewalt</strong> wandelt.<br />

Außer Frage steht, daß es geschichtliche <strong>und</strong> menschliche Lebenslagen gibt,<br />

die den E<strong>in</strong>satz von <strong>Gewalt</strong> unabd<strong>in</strong>gbar erfor<strong>der</strong>lich machen. Wege absoluter<br />

<strong>Gewalt</strong>freiheit, man denke an GANDHl´s „Satyragraha“, „Macht <strong>der</strong> Wahrheit“,<br />

s<strong>in</strong>d nur unter bestimmten Ziel-Mittel-Konstellationen beschreitbar (JASPERS).<br />

Das gilt analog für KRISOR´s e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glich dargelegtes Konzept e<strong>in</strong>er „gewaltfreien<br />

<strong>Psychiatrie</strong>“. Dessen unbestreitbar beispielhafter Wert liegt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Funktion<br />

als wegweisen<strong>der</strong> Orientierung. „E<strong>in</strong>e pr<strong>in</strong>zipiell gewaltfreie Methode“ aber<br />

muß „e<strong>in</strong> frommer Traum“ bleiben (POPITZ, 66). Doch enthält er die regulative<br />

Kraft, die e<strong>in</strong>e ethische <strong>und</strong> politische Frage s<strong>in</strong>nvoll, aber eben immer nur vorläufig,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e technische übersetzt. Das aber heißt, es läßt sich immer nur e<strong>in</strong>e<br />

Form <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>, nie <strong>Gewalt</strong> im Ganzen vermeiden. Das ist schon viel <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong><br />

genug, die „Wege zu e<strong>in</strong>er gewaltfreien <strong>Psychiatrie</strong>“ – <strong>und</strong> die Phantasie kennt<br />

viele Wege – geme<strong>in</strong>sam <strong>und</strong> entschlossen weiter zu beschreiten.<br />

E<strong>in</strong>e Bemerkung zum Abschluß dieser Überlegungen. <strong>Gewalt</strong> ist e<strong>in</strong> ubiquitäres<br />

Phänomen. Sie ist <strong>in</strong> allen Kulturen <strong>in</strong> jeweils spezifischer Weise gegeben. Sie<br />

neigt zu ritueller Ausformung <strong>und</strong> mag sich im Gewand <strong>der</strong> Erniedrigten <strong>und</strong><br />

Verdammten (F. FANON) rechtfertigen o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Glorie <strong>der</strong> Herrschenden<br />

schmücken. Das Maß, <strong>in</strong>dem <strong>Gewalt</strong> sich entfaltet, hängt fraglos von Krisensituationen<br />

wirtschaftlicher <strong>und</strong> sozialer Natur <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e von Umbrüchen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> normativen Orientierung ab. So for<strong>der</strong>t jede Kritik <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong> im S<strong>in</strong>ne<br />

Walter BENJAMINS e<strong>in</strong>e philosophische Durchdr<strong>in</strong>gung ihres Entstehens. Und<br />

das heißt: es gilt, verantwortlich Stellung zu beziehen gegen Gleichgültigkeit<br />

<strong>und</strong> Fatalismus. <strong>Gewalt</strong> ist nichts – <strong>und</strong> das hat KRISOR für die <strong>Psychiatrie</strong><br />

e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glich dargelegt –, an das man sich gewöhnen darf.<br />

Noch e<strong>in</strong>mal: die Macht <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong><br />

Alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Mensch kann die Welt von sich rücken. Er kann Ähnlichkeiten erkennen,<br />

Form <strong>und</strong> Stoff unterscheiden. Das befähigt ihn, die Welt <strong>und</strong> sich selbst<br />

Gestalt annehmen zu lassen, – o<strong>der</strong> aber im Akt des Abrückens an se<strong>in</strong>er Selbstgewißheit<br />

zu zweifeln, sie gar gänzlich zu verlieren <strong>und</strong>: „Ver-rückt“ zu werden.<br />

Der amerikanische Künstler Bruce NAUMAN hat e<strong>in</strong>mal, zuletzt <strong>in</strong> Zürich, e<strong>in</strong>e<br />

bewegte, kreischende Videoskulptur vorgeführt, die er „Clown-Torture“, „gefolterten<br />

Clown“, nannte. Sie zeigt auf e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glichste Weise unser Ausgesetzt-se<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e uns gewalttätig-überflutende Welt. Und es sche<strong>in</strong>t nur <strong>der</strong> Clown, <strong>der</strong><br />

liebenswert-machtlose Vertreter <strong>der</strong> Unvernunft zu se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> sich dem gleichgültigen<br />

Fuktionieren <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge entgegenstellt, – auch wenn er womöglich daran<br />

zerbricht. Kunstwerke können nichts lösen, doch s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, sehr viel<br />

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