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Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...

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des „PatientInnen“-Status, was sich wie<strong>der</strong>um relativierend auf die regelhaft asymmetrische<br />

Beziehungsstruktur zwischen den Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es therapeutischen<br />

Teams <strong>und</strong> den NutzerInnen <strong>der</strong> Institution auswirkt.<br />

Im folgenden werden nun 5 Projekte vorgestellt:<br />

2.3.1 Das Atelier<br />

Das Atelier <strong>der</strong> Herner Kl<strong>in</strong>ik (vgl. KRISOR 1993, S. 131 ff.) bietet e<strong>in</strong> Forum für<br />

Begegnungen zwischen PatientInnen, sonstigen <strong>in</strong>teressierten Herner BürgerInnen,<br />

lokalen MediatorInnen <strong>und</strong> MitarbeiterInnen. Diese öffentlichen Veranstaltungen<br />

(Vorträge, Diskussionsveranstaltungen, Exkursionen, Feste, Ausstellungen<br />

usw.) haben ihren Ausgangspunkt <strong>in</strong> den Räumen <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik o<strong>der</strong> f<strong>in</strong>den<br />

dort statt, s<strong>in</strong>d also e<strong>in</strong> entscheidendes Moment <strong>der</strong> „Veröffentlichung“, somit<br />

auch <strong>der</strong> sozialen <strong>und</strong> demokratischen Kontrolle <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik.<br />

Über die Atelierveranstaltungen wird versucht, die Rollenvielfalt des E<strong>in</strong>zelnen<br />

über das Pr<strong>in</strong>zip des Austausches zu realisieren. Die Ebene pathologiebestimmter,<br />

e<strong>in</strong>grenzen<strong>der</strong> Rollenzuweisungen (mächtiger, wissen<strong>der</strong>, aktiver Therapeut/<br />

Arzt versus unwissen<strong>der</strong>, entmündigter passiver Patient) mit den gravierenden<br />

Selbstwertverlusten für PatientInnen wird zerstört, <strong>in</strong>dem PatientInnen die Möglichkeit<br />

gegeben wird, sich als referierende ExpertInnen (beispielsweise über<br />

Kartenspiele, den Existentialismus, die Heimat o<strong>der</strong> Architektur) zu erleben, somit<br />

e<strong>in</strong>em normativ positiv bewerteten <strong>und</strong> entsprechend selbstwertstützendem<br />

Tauschverhalten zu entsprechen. Dies ist die spektakulärere Seite mit unmittelbar<br />

frustrationsvermeiden<strong>der</strong> bzw. -kompensieren<strong>der</strong> <strong>und</strong> demnach gewaltpräventiver<br />

Wirkung.<br />

Weniger spektakulär aber gleichfalls nachhaltig wird e<strong>in</strong> normativ adäquates<br />

Tauschverhalten für die Gruppe <strong>der</strong> psychisch labilen <strong>und</strong> gehandicapten Teilnehmer<br />

erreicht, <strong>in</strong>dem kollektive <strong>und</strong> <strong>in</strong>dividuelle Haltungen mit Hilfe des Mediums<br />

„Atelier“ genutzt werden, um sozial adäquates Tauschverhalten <strong>in</strong> „natürlichen<br />

Situationen“ zu ermöglichen. E<strong>in</strong>e Atelierreihe, <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong> unregelmäßigen<br />

Abständen regionale Rassekan<strong>in</strong>chenzuchtvere<strong>in</strong>e <strong>in</strong> den Räumen <strong>der</strong> <strong>Psychiatrie</strong><br />

ausstellen <strong>und</strong> ihre Züchtungen beispielhaft diskutieren, wird zahlreich <strong>und</strong><br />

<strong>in</strong>teressiert besucht. Dies kann nicht verw<strong>und</strong>ern, stecken doch verdeckt regional<br />

kulturell relevante Momente <strong>in</strong> dieser Veranstaltung: Neben <strong>der</strong> Wohnform<br />

„Kolonie“, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Kle<strong>in</strong>tierhaltung gang <strong>und</strong> gäbe war, werden Bezüge zu<br />

traditionell ruhrgebietsspezifischem Vere<strong>in</strong>swesen erfaßt; gleichzeitig offenbart<br />

sich das Vere<strong>in</strong>swesen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er erstaunlich schnell entstehenden Interaktion zwischen<br />

Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Patienten als soziale Ressource (vgl. PFANNKUCH<br />

1994), die alltägliche Normalität <strong>in</strong> die Kl<strong>in</strong>ik transportiert: Es werden nicht irgendwelche<br />

psychopathologischen Phänomene zu sozialen Dist<strong>in</strong>ktionsmerkmalen<br />

erhoben, son<strong>der</strong>n lediglich <strong>der</strong> Kenntnisstand <strong>in</strong> Rassekan<strong>in</strong>chenzucht<br />

<strong>und</strong> Zuchterfolge dienen als solches. Stets ist das Kriterium, ob jemand etwas<br />

„zur Sache“ beizutragen hat.<br />

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