Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...
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Für alle Betroffenen stellt e<strong>in</strong>e <strong>Zwang</strong>se<strong>in</strong>weisung, e<strong>in</strong>e fürsorgliche Zurückhaltung<br />
o<strong>der</strong> die richterliche Unterbr<strong>in</strong>gung e<strong>in</strong>e Ausnahmesituation im Arbeitsalltag<br />
o<strong>der</strong>, bei den Patient<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Patienten, im Krankheitsverlauf <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Lebensgeschichte dar. Die fürsorgliche Zurückhaltung stellt e<strong>in</strong>en massiven E<strong>in</strong>griff<br />
<strong>in</strong> die Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Betroffenen dar. Dies kann nur unter ganz<br />
bestimmten Voraussetzungen zulässig se<strong>in</strong>. Diese werden <strong>in</strong> den B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n<br />
zwar im Detail unterschiedlich geregelt, vom Gr<strong>und</strong>gedanken her s<strong>in</strong>d sie<br />
jedoch e<strong>in</strong>heitlich. Erlaubt ist e<strong>in</strong>e fürsorgliche Zurückhaltung nur auf kurze Zeit<br />
<strong>und</strong> bei Vorliegen von akuter Selbst – o<strong>der</strong> Fremdgefährdung. Dennoch bleibt <strong>in</strong><br />
jedem Fall e<strong>in</strong> großer Spielraum für die beteiligten Parteien (Polizei, Behörden,<br />
Kl<strong>in</strong>ikpersonal, Patient<strong>in</strong>nen/Patienten, Angehörige). Insbeson<strong>der</strong>e die behandelnden<br />
Ärzt<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Ärzte stehen unter e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>en Verantwortung, den<br />
Ermessensspielraum nicht maximal zu dehnen – auch wenn dies <strong>in</strong> bester Absicht<br />
geschieht. Mit Recht genügt <strong>in</strong> Deutschland im Gegensatz zur Schweiz<br />
eben nicht, daß e<strong>in</strong> Patient psychisch krank ist <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Behandlung bedarf, um<br />
ihn zwangsweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e psychiatrische Kl<strong>in</strong>ik e<strong>in</strong>zuweisen <strong>und</strong> dort unterzubr<strong>in</strong>gen.<br />
Doch auch unter den Vorgaben <strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gungsgesetze bzw. <strong>der</strong> <strong>Psychiatrie</strong>gesetze<br />
<strong>in</strong> Deutschland <strong>und</strong> den jeweiligen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n zeigen sich ausgeprägte<br />
regionale o<strong>der</strong> lokale Unterschiede, die weniger durch Patientenmerkmale<br />
als vielmehr durch die handelnden Personen bed<strong>in</strong>gt s<strong>in</strong>d. Ärzte <strong>und</strong> Richter<br />
s<strong>in</strong>d neben den Ansprüchen des jeweils an<strong>der</strong>en <strong>und</strong> <strong>der</strong> eigenen Vorgesetzten<br />
auch mit den For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Angehörigen, des direkten sozialen Umfeldes,<br />
<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de, <strong>der</strong> „Öffentlichkeit“ <strong>und</strong> <strong>der</strong> Medien konfrontiert.<br />
Die Entscheidung zur fürsorglichen Zurückhaltung o<strong>der</strong> zur richterlichen Unterbr<strong>in</strong>gung<br />
wird darüber h<strong>in</strong>aus noch von <strong>der</strong> persönlichen E<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong> Ärzte<br />
<strong>und</strong> Richter zu psychischer Krankheit <strong>und</strong> dem Recht auf Selbstbestimmung <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Krankheit abhängen, von <strong>der</strong> Risikobereitschaft, was den Schutz des Patienten<br />
bzw. <strong>der</strong> Patient<strong>in</strong> <strong>und</strong> des potentiell bedrohten Umfeldes abhängt, von<br />
<strong>der</strong> Vorerfahrung mit an<strong>der</strong>en Patient<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Patienten <strong>und</strong> von <strong>der</strong> aktuellen<br />
eigenen psychischen Bef<strong>in</strong>dlichkeit.<br />
Um <strong>in</strong> diesem hochsensiblen Bereich dennoch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kl<strong>in</strong>ik <strong>und</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Versorgungsregion<br />
zu e<strong>in</strong>em weitgehend e<strong>in</strong>heitlichen <strong>und</strong> nachvollziehbaren Vorgehen<br />
<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> rechtlich vorgegebenen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen zu gelangen,<br />
ist e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit <strong>der</strong> betroffenen Berufsgruppen auch außerhalb <strong>der</strong><br />
Kontakte im aktuellen Unterbr<strong>in</strong>gungsverfahren notwendig. Regelmäßige Treffen<br />
zwischen Richtern, Kl<strong>in</strong>ikpersonal, Amtsvertretern <strong>und</strong> Nie<strong>der</strong>gelassenen,<br />
ambulanten Diensten <strong>und</strong> Polizei, aber auch Vertretern von Betroffenen <strong>und</strong><br />
Angehörigen sche<strong>in</strong>en hierfür notwendig. In solchen Gesprächen kann das Verständis<br />
für die an<strong>der</strong>en Verfahrensbeteiligten wachsen <strong>und</strong> Vertrauen entstehen.<br />
E<strong>in</strong> möglicher Rahmen für solche Treffen wäre beispielsweise die Psychosoziale<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Versorgungsregion.<br />
Nach den Ergebnissen unserer Untersuchung sche<strong>in</strong>t sich die <strong>in</strong> Baden-Württemberg<br />
vorhandene Möglichkeit <strong>der</strong> fürsorglichen Zurückhaltung für drei Tage<br />
zu bewähren. Für e<strong>in</strong>e Reihe von Patient<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Patienten kann dadurch e<strong>in</strong>e<br />
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