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Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...

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Wie gehen wir denn angemessen damit um, wenn wir beobachten, daß e<strong>in</strong> Patient<br />

e<strong>in</strong>er Mitpatient<strong>in</strong> im Raucherzimmer e<strong>in</strong>e Ohrfeige verpaßt? Was tun, wenn<br />

e<strong>in</strong> Patient e<strong>in</strong>e Mitarbeiter<strong>in</strong> anhaltend <strong>und</strong> lautstark mit sexuellen Anzüglichkeiten<br />

beleidigt <strong>und</strong> ihr immer wie<strong>der</strong> bedrohlich nahe kommt? Was tun, wenn<br />

e<strong>in</strong>e Patient<strong>in</strong> des Nachts ständig <strong>in</strong> die Zimmer an<strong>der</strong>er Patienten geht <strong>und</strong><br />

diese bei <strong>der</strong> Nachtruhe stört? Was tun mit dem Patienten, <strong>der</strong> Morddrohungen<br />

gegenüber e<strong>in</strong>er Ärzt<strong>in</strong> ausstößt, ohne freilich tätlich zu werden?<br />

Natürlich habe ich hier als Beispiel Grenzfälle ausgewählt, die nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong> klares<br />

Schema von z.B. manifester <strong>Gewalt</strong>tätigkeit passen. Solche Grenzfälle s<strong>in</strong>d aber,<br />

wie wir alle wissen, ke<strong>in</strong>e Rarität, son<strong>der</strong>n kommen <strong>in</strong> psychiatrischen Kl<strong>in</strong>iken<br />

sehr häufig vor. Solange dies so ist <strong>und</strong> ke<strong>in</strong> Konsens existiert, wie mit <strong>der</strong>artigen<br />

Problemen umzugehen ist, wird es so bleiben, daß es weitgehend von den<br />

gerade diensttuenden Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitarbeitern abhängt, ob <strong>Zwang</strong>smaßnahmen<br />

erfolgen, wie <strong>und</strong> wie lange. In diesem Zusammenhang s<strong>in</strong>d auch<br />

Untersuchungen aus den USA <strong>in</strong>teressant, die feststellen konnten, daß <strong>Zwang</strong>smaßnahmen<br />

sehr viel häufiger wegen „drohen<strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>tätigkeit“ als wegen<br />

tatsächlich e<strong>in</strong>getretener <strong>Gewalt</strong>tätigkeit angeordnet wurden (SOLOFF et al.<br />

1985). Bei e<strong>in</strong>er Untersuchung <strong>der</strong> <strong>Zwang</strong>smaßnahmen an unserer eigenen Kl<strong>in</strong>ik<br />

fanden wir e<strong>in</strong>e manifeste Fremdgefährdung <strong>in</strong> 39% <strong>der</strong> Fälle, e<strong>in</strong>e nur „drohende“<br />

Fremdgefährdung aber immerh<strong>in</strong> auch <strong>in</strong> 26% STEINERT et al. 1993 a).<br />

In e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Untersuchung konnten wir ke<strong>in</strong>en konsistenten statistischen<br />

Zusammenhang zwischen aggressivem Patientenverhalten <strong>und</strong> dem E<strong>in</strong>satz von<br />

<strong>Zwang</strong>smaßnahmen f<strong>in</strong>den (STEINERT et al. 1993 b).<br />

Dokumentation von <strong>Zwang</strong>smaßnahmen unter dem Aspekt <strong>der</strong> Qualitätssicherung<br />

Was wir benötigen, s<strong>in</strong>d also Leitl<strong>in</strong>ien für die Anwendung von <strong>Zwang</strong>smaßnahmen<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong> möglichst konkreter Konsens über die Indikationen. Dies geht über<br />

die bloße Dokumentation deutlich h<strong>in</strong>aus. Auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Fachgesellschaft<br />

DGPPN wurde deshalb bereits 1996 e<strong>in</strong>e Konsensuskonferenz abgehalten, konkrete<br />

Ergebnisse liegen aber noch nicht vor <strong>und</strong> werden es wohl auch <strong>in</strong> absehbarer<br />

Zeit nicht. Ich habe den Versuch, solche Leitl<strong>in</strong>ien zu erarbeiten, deshalb<br />

sowohl auf me<strong>in</strong>en Aufnahmestationen als auch <strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>arform schon mit Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Mitarbeitern an<strong>der</strong>er Krankenhäuser unternommen – e<strong>in</strong> aufwendiges,<br />

aber außerordentlich praxisnahes Unterfangen (Ste<strong>in</strong>ert et al. 1998).<br />

Was haben wir davon? Ich gehe davon aus, daß es nun weit weniger beliebig<br />

geworden ist, wann, weshalb <strong>und</strong> wie lange <strong>Zwang</strong>smaßnahmen e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden. Wir überprüfen dies auch, <strong>in</strong>dem wir etwa alle 2 Monate e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Teamsitzung unsere dokumentierten <strong>Zwang</strong>smaßnahmen im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> noch<br />

e<strong>in</strong>mal dah<strong>in</strong>gehend überprüfen, ob wir unsere selbst verordneten Leitl<strong>in</strong>ien auch<br />

e<strong>in</strong>gehalten haben (bzw. wenn nicht, warum nicht). Das hier beschriebene Vorgehen<br />

entspricht e<strong>in</strong>em Qualitätszirkel. Ich me<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat, daß <strong>Zwang</strong>smaßnahmen<br />

– bzw. <strong>der</strong> möglichst weitgehende Verzicht darauf – e<strong>in</strong> sehr guter Indi-<br />

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