Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...
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Aspekte zur Theorie <strong>und</strong> Praxis e<strong>in</strong>er gewaltfreien <strong>Psychiatrie</strong><br />
Matthias Krisor <strong>und</strong> Harald Pfannkuch<br />
1. E<strong>in</strong>führung<br />
202<br />
„...viele von uns haben vielleicht e<strong>in</strong>en Traum vom Guten<br />
- ohne Mittel zur Ausführung desselben, ohne Methode“<br />
(Charles Fourier, 1772-1837, zitiert nach HABERMAS, 1985)<br />
Der aktuelle Diskurs über „<strong>Gewalt</strong>“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>stationären</strong> <strong>Psychiatrie</strong> zeigt, daß es<br />
sich hierbei sicherlich um ke<strong>in</strong> Tabu-Thema mehr handelt; zu deutlich wurde bei<br />
Kongressen <strong>und</strong> <strong>in</strong> Publikationen <strong>in</strong> letzter Zeit „<strong>Gewalt</strong>“ thematisiert (vgl. z.B.<br />
BRÜCKENSCHLAG 1997, EINK/Hrsg. 1997, PSYCHIATR. PRAXIS 1998, SO-<br />
ZIALE PSYCHIATRIE 1998)<br />
Nun stellt sich aber die Frage nach den Inhalten des <strong>Gewalt</strong>diskurses, d.h. konkret-pragmatisch:<br />
Welche Sichtweise setzt sich als Qualitätsstandard im Diskussionsprozeß<br />
„mehrheitsfähig“ durch? Im Kontext <strong>der</strong> aktuellen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />
- <strong>und</strong> <strong>in</strong> dem Bemühen um e<strong>in</strong>e möglichst gewaltarme bis gewaltfreie psychiatrische<br />
Praxis – sche<strong>in</strong>en allerd<strong>in</strong>gs weniger die Perspektiven <strong>in</strong>teressant, die<br />
sich <strong>in</strong>tensiv damit befassen, den Begriff <strong>der</strong> ‘gewaltfreien <strong>Psychiatrie</strong>’ als „Fiktion“<br />
(i.S. von Uns<strong>in</strong>n) zu diskreditieren (vgl. WIENBERG 1997).<br />
Es ist doch die Frage zu stellen, warum wir den Begriff ‘gewaltfreie <strong>Psychiatrie</strong>’<br />
nicht nutzen „ähnlich <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition von ‘Ges<strong>und</strong>heit’ durch die WHO (völliges,<br />
une<strong>in</strong>geschränktes körperliches, seelisches <strong>und</strong> soziales Wohlbef<strong>in</strong>den...’) als<br />
Kennzeichnung e<strong>in</strong>es Zieles, e<strong>in</strong>er Sehnsucht“. Wir könnten versuchen, „die Qualität<br />
unseres Handelns u.a. danach zu bemessen, wieweit wir von e<strong>in</strong>er solchen<br />
Utopie <strong>in</strong> unserer Praxis entfernt s<strong>in</strong>d, o<strong>der</strong> aber wieweit wir uns ihr annähern<br />
können. Auf jeden Fall erhalten wir uns auf diese Weise unsere Lernfähigkeit<br />
eher als mit trotzigen ‘Ich steh dazu’-Attitüden“ (EINK 1998, S. 7).<br />
In unserem Beitrag werden wir e<strong>in</strong> Bed<strong>in</strong>gungsgeflecht <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>prophylaxe<br />
darstellen, das e<strong>in</strong>e gute Gr<strong>und</strong>lage zu bieten sche<strong>in</strong>t, um auf dem Weg zu e<strong>in</strong>er<br />
gewaltfreien <strong>Psychiatrie</strong> e<strong>in</strong> erhebliches Stück weiterzukommen. Dabei wird <strong>der</strong><br />
Charakter – <strong>in</strong> Anlehnung an die französische ‘Psychothérapie <strong>in</strong>stitutionnelle“ –<br />
des ‘Prekären’ beibehalten: Dies bedeutet ‘unsicher, ungewiß, heikel’, wodurch<br />
<strong>der</strong> vorläufige <strong>und</strong> offene Charakter <strong>der</strong> folgenden Ausführungen unterstrichen<br />
werden soll. Im zweiten Schritt soll die vorgestellte Theorie <strong>und</strong> Praxis mit Hilfe<br />
e<strong>in</strong>iger empirischer Analysen belegt werden.<br />
Statt isolierter Betrachtung von „offener Tür“ o<strong>der</strong> „gewaltfreier <strong>Psychiatrie</strong>“ ist<br />
es e<strong>in</strong> Anliegen des Beitrages, das an vielen Orten <strong>und</strong> von vielen Menschen