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Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...

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Diskussion<br />

Was besagen diese Ergebnisse für die Problematik von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Zwang</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> (<strong>stationären</strong>) psychiatrischen Versorgung?<br />

Wie ich oben ausgeführt habe, gehe ich von <strong>der</strong> These aus, daß jede Form von<br />

Therapie <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Form <strong>Gewalt</strong> ausübt, <strong>in</strong> physischer o<strong>der</strong><br />

psychischer Form, offen o<strong>der</strong> subtil-versteckt, mehr o<strong>der</strong> weniger hilfreich. Wie<br />

verän<strong>der</strong>n die hier beschriebenen Verän<strong>der</strong>ungen die Bed<strong>in</strong>gungen, unter denen<br />

dies geschieht?<br />

Die erste wichtige Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> hier beschriebenen neuen Regelung sche<strong>in</strong>t<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er generellen Reduzierung <strong>der</strong> Anwendung von <strong>Gewalt</strong> zu liegen. Dies dürfte<br />

zum e<strong>in</strong>en auf die Öffnung selbst zurückzuführen se<strong>in</strong>, zum an<strong>der</strong>en auf die<br />

Durchmischung <strong>der</strong> Patienten nach dem Schweregrad ihrer Symptomatik. Die<br />

geschlossene Tür war <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit e<strong>in</strong> Kristallisationspunkt, um den<br />

sich viele Patienten scharten; sie war sozusagen die Barriere, gegen die sie<br />

anrannten. Daß an dieser Stelle jetzt e<strong>in</strong>e Person sitzt, die sie ansprechen können<br />

<strong>und</strong> mit <strong>der</strong> sie sich evtl. persönlich ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen können bzw. müssen,<br />

ist m.E. e<strong>in</strong>e wichtige Verän<strong>der</strong>ung. H<strong>in</strong>zu kommen die generellen Verän<strong>der</strong>ungen<br />

des Stationsklimas, wie sie von den Mitarbeitern <strong>der</strong> Station beschrieben<br />

worden s<strong>in</strong>d.<br />

Hierdurch <strong>und</strong> durch die oben genannte „Durchmischung“ werden den Patienten<br />

vermeidbare Belastungen erspart, Belastungen, die m.E. auch e<strong>in</strong>e Form <strong>der</strong><br />

<strong>Gewalt</strong>anwendung darstellen, hier ausgeübt durch Strukturen <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik („strukturelle<br />

<strong>Gewalt</strong>“). Zudem wird die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit reduziert, daß Patienten <strong>in</strong><br />

Zustände von unbeherrschbarer Erregung kommen, was zum e<strong>in</strong>en für sie <strong>und</strong><br />

für Personen <strong>in</strong> ihrer Umgebung e<strong>in</strong>e Belastung <strong>und</strong> evtl. Bedrohung darstellt<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits die Anwendung von körperlichen <strong>Gewalt</strong>maßnahmen, wie z.B.<br />

Fixierung <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> <strong>Zwang</strong>smedikation notwendig machen kann. – Also: Insgesamt<br />

sehe ich e<strong>in</strong>e begrüßenswerte Reduzierung belasten<strong>der</strong> Formen von <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>in</strong> unterschiedlichster Form.<br />

„<strong>Gewalt</strong>frei“ ist die neue Praxis allerd<strong>in</strong>gs nicht <strong>und</strong> kann es, wie ich hoffe<br />

gezeigt zu haben, auch gar nicht se<strong>in</strong>. Das Problem <strong>der</strong> Kontrolle bzw. E<strong>in</strong>wirkung<br />

auf Patienten, die an<strong>der</strong>nfalls <strong>in</strong> Gefahr gerieten, stellt sich auch bei offenen<br />

Türen. Tatsächlich ist es auch diese Funktion <strong>der</strong> Kontrollausübung, die<br />

bei den Interviews mit den Mitarbeitern <strong>der</strong> Station e<strong>in</strong>en großen Raum e<strong>in</strong>nahm<br />

(„Wärterproblem“). Me<strong>in</strong>es Erachtens liegt auch dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Form von<br />

<strong>Gewalt</strong>anwendung, wenn beispielsweise <strong>der</strong> Pfleger die Patient<strong>in</strong>, die ke<strong>in</strong>en<br />

Ausgang hat, mit verbalen Mitteln dazu br<strong>in</strong>gt, auf <strong>der</strong> Station zu bleiben. Ich<br />

will dies kurz illustrieren: e<strong>in</strong>em erwachsenen Menschen vorzuschreiben, woh<strong>in</strong><br />

er gehen darf <strong>und</strong> woh<strong>in</strong> nicht, ist e<strong>in</strong> massiver E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Freiheitsrechte;<br />

se<strong>in</strong>e Urteilskraft <strong>in</strong> Frage zu stellen („das ist nicht real, das ist Ihr<br />

Wahn“) o<strong>der</strong> die Realität se<strong>in</strong>er Wahrnehmungen („das s<strong>in</strong>d Halluz<strong>in</strong>ationen“)<br />

verletzt die sozialen Regeln, <strong>der</strong>en E<strong>in</strong>haltung je<strong>der</strong> Bürger <strong>und</strong> unserer Gesellschaft<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich für sich beanspruchen kann. Es verletzt sozusagen<br />

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