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Gewalt und Zwang in der stationären Psychiatrie - Aktion Psychisch ...

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für Notfallpsychiatrie D.H. Hughes die Antwort <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Übersichtsartikel32 u.a.<br />

wie folgt zusammen (übersetzt): „Während die Debatte darüber andauert, ob<br />

<strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>iker erfolgreich das Auftreten von gewalttätigem o<strong>der</strong> suizidalem Verhalten<br />

unter se<strong>in</strong>en Patienten voraussagen kann, zeigt die überwiegende Mehrzahl<br />

<strong>der</strong> Studien, daß es bei dem gegenwärtigen Stand des Wissens nicht<br />

möglich se<strong>in</strong> mag, Suizid <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> e<strong>in</strong>es Individuum vorherzusehen. Um die<br />

Beschränkungen <strong>der</strong> Vorhersage zu kompensieren, setzen konservative Kl<strong>in</strong>iker<br />

bewußt das Auftreten von Suizid o<strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong> höher an, um dazu beizutragen,<br />

die Sicherheit ihrer Patienten <strong>und</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den, <strong>in</strong> <strong>der</strong> jene leben, zu<br />

gewährleisten.“<br />

Die Forschung hat bezüglich des Auftretens von Suizid <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> e<strong>in</strong>e Reihe<br />

kl<strong>in</strong>ischer <strong>und</strong> demographischer Risikovariablen herausgearbeitet. Mit Hilfe dieser<br />

ist es aber nur möglich, Risikogruppen zu umschreiben. Der Schluß auf e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnes<br />

Individuum kann z.Z. nicht geführt werden. Konzentriert man sich jedoch auf<br />

solche Gruppen, beachtet die Vorgeschichte <strong>und</strong> spezifische Symptome – z.B.<br />

den Patienten bzw. die Patient<strong>in</strong> bedrohende Wahnvorstellungen, die gleichzeitig<br />

von äußeren Kräften kontrolliert werden – <strong>und</strong> unterstützt das kl<strong>in</strong>ische Urteil durch<br />

statistische Vorhersageverfahren, sche<strong>in</strong>t laut neueren Forschungsergebnissen –<br />

so zum<strong>in</strong>dest bezüglich des Auftretens von <strong>Gewalt</strong>, (z.B. 33 ) –, die E<strong>in</strong>schätzung<br />

besser zu gel<strong>in</strong>gen als e<strong>in</strong>e Zufallsbeurteilung.<br />

In <strong>der</strong> Praxis bemüht sich <strong>der</strong> Psychiater bzw. die Psychiater<strong>in</strong> aber eher um<br />

zeitlich befristete <strong>und</strong> graduelle Risikoabschätzungen bzw. um Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitsbeurteilungen<br />

(ist es eher als eher nicht wahrsche<strong>in</strong>lich, daß <strong>in</strong> Kürze <strong>der</strong><br />

Patient/die Patient<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e suizidale o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Personen gefährdende Handlung<br />

unternehmen wird?). Hierzu müssen sorgfältige Assessments durchgeführt<br />

<strong>und</strong> logische kl<strong>in</strong>ische Entscheidungen im Verhältnis zum wahrgenommenen<br />

Risiko gefällt werden. Die Orientierung an diagnostischen <strong>und</strong> therapeutischen<br />

Richtl<strong>in</strong>ien sowie e<strong>in</strong>e ausreichende Dokumentation s<strong>in</strong>d dabei hilfreich. Stützt<br />

man sich auf e<strong>in</strong> solches Vorgehen, folgen <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Bewertung, auch wenn<br />

systematische Fehler möglich s<strong>in</strong>d, durchaus angemessene Urteile34, 35 . E<strong>in</strong> Problem<br />

aber bleibt: Wo setzt man die Schwelle? Legt man sie zu niedrig (= das<br />

Risiko sei relativ hoch), erhält man im Verhältnis zu den richtig positiven Beurteilungen<br />

zu viele falsch positive, legt man sie dagegen zu hoch (= das Risiko sei<br />

relativ niedrig), riskiert man zu viele falsch negative36 .<br />

Bezüglich des Spannungsbogens zwischen <strong>der</strong> Achtung <strong>der</strong> Unantastbarkeit<br />

<strong>der</strong> Person e<strong>in</strong>erseits <strong>und</strong> dem Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> Ausübung von <strong>Zwang</strong> an<strong>der</strong>erseits<br />

stehen Psychiater <strong>und</strong> Psychiater<strong>in</strong>nen vor e<strong>in</strong>em unauflösbaren Konflikt.<br />

Entscheiden sie sich angesichts <strong>der</strong> Unwägbarkeiten bei <strong>der</strong> Beurteilung von<br />

suizidalem o<strong>der</strong> gewalttätigem Verhalten eher für die Patientenrechte, werden<br />

sie möglicherweise häufiger mit den deletären Folgen von Suizid/Suizidversuch<br />

o<strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong> konfrontiert, entscheiden sie sich dagegen eher für die Sicherheit<br />

ihrer Patienten <strong>und</strong> Patient<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Umwelt, müssen auch an<strong>der</strong>e Patienten<br />

<strong>und</strong> Patient<strong>in</strong>nen, die letztlich ke<strong>in</strong>e gefährdenden Handlungen ausführen,<br />

Freiheitsbeschränkungen h<strong>in</strong>nehmen.<br />

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